WITH LOVE, September 2014-Reviews

September 2014

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ALANA AMRAM & THE ROUGH GERMS
Spring River CD
Kingwood Records


Alana ist die Tochter des Jazzmusikers David Amram, aber dieser Verweis steht hier nur der Vollständigkeit halber, denn "Spring River" mit seinen psychedelischen Songs und den vereinzelten Americana-Ausflügern wie "Should I go now" kommt ganz ohne Namedropping aus. Alana hat eine fantastische Stimme, die gar nicht so leicht zu beschreiben ist, die muss man einfach gehört haben und spätestens, wenn sie in "Motorbike" über das Faszinosum Stählrad singt und das verträumte Solo einsetzt, ist es um den Hörer dann geschehen. Sphärische Wohlklänge eröffnen dann "Another man's world" und der countryartige Song funktioniert trotz des extrem langsamen Tempos hervorragend, er ist eben einfach eine Trauerballade, die schwermütiger kaum sein könnte. "Daughter of the sun" nahm Alana zusammen mit Israel Nash Gripka auf und Simon and Garfunkel klingen hier ganz gewaltig an. Das späte Highlight ist dann "Train", denn Alana hat hier einen düsteren Rocksong in bester New York-Manier (BRMC, INTERPOL) geschrieben und gibt auch stimmlich neue Facetten preis. Dergestalt formidabel geht es dann weiter und in Summe ist das Album wirklich genial geworden. Das Debüt hieß übrigens "Painted Lady" und stammt aus 2010. Erstaunlich wie eine so junge Frau ein derart perfektes, facettenreiches und durchgehangenes Album aufnehmen kann. Großartig und mit reichlich Suchtpotential. ThEb (8,5)

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CLAW
S/t CD
Czar Of Crickets


Die Schweiz hat einige bedeutende Trashcombos in die Szene gespült und auch in letzter Zeit tut sich dort wieder enorm viel. CLAW schicken sich nun an nicht nur Teil der neuesten Entwicklungen zu werden, sondern könnten mit ihrem selbstbetitelten Debüt die Speerspitze dessen sein, was aktuell passiert. Anfangs sind die Tracks zwar noch etwas unbedarft, die Melodik sehr gewöhnlich, aber nach ein, zwei Liedern entwickelt sich das alles zu einem Hammeralbum. In "Sandstorm" zitiert man gekonnt MEGADETH und auch "Alpha 13" ist "Hangar 18" nicht unähnlich, grandioses Solo inklusive. Andererorts liebäugelt man mit PARADISE LOST und kontrastiert die messerscharfen Trashriffs mit Pathos in der Stimme. Beim Underground-Charme muss man leider kleine Abstriche machen, weil es nie rumpelt und die Arrangements manchmal recht massenkompatibel daherkommen. Trotz der Zugänglichkeit hat ein Track wie "Today" aber viele Facetten zu bieten, die ihn insgesamt eben ganz weit nach vorne bringen. "Alone" ist dann eine Powerballade der Marke PANTERA meets ANCIENT WISDOM und hier zeigt sich wie gut die Vocals von Niko Prensilevich auch im ruhigen Umfeld funktionieren. Wo wir schon bei den Namen sind, hier spielt übrigens Serge Morattel mit, der einigen durch seine Produktionen für YEAR OF NO LIGHT und KNUT ein Begriff sein wird. Selbiger ließ es sich natürlich nicht nehmen das eigene Album ebenfalls in ein grandioses Klanggewand zu stecken. Neben ALGEBRA und BAGHEERA eine der neueren Combos aus der Schweiz, die man als Trasher gehört haben muss. Ich sehe schon die Matten kreisen. ThEb (8,5)

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DEAD CAT IN A BAG
Late for a song CD
www.deadcatinabag.org


Wenn Tom Waits nicht den Soundtrack für Down By Law verfügbar gewesen wäre, diese Combo aus Italien hätte den Job auch zur vollsten Zufriedenheit von Jim Jarmusch erledigt. Wunderbare Gossenchansons, vorgetragen mit brüchig verlebter Stimme, immer düster und morbide, aber trotzdem voller Schönheit. Luca Swanz Andriolo ist ein kosmopolitischer Storyteller, ebenso wie Tom Waits, Sivert Høyem oder Nick Cave und die Songs auf dem zweiten Album der Band zitieren diese Herren zwar oft charmant, verbergen aber viel Eigenes. Keinesfalls bloßes Epigonentum, sondern wirklich eine Alternative für Menschen, die ähnliche Musik suchen und nicht unbedingt die großen Namen brauchen. "Nothing sacred" bringt Western, Mariachi und Polka charmant unter einen Hut, so dass man nur noch staunen kann. "Silence is not so pure" hingegen ist reduzierter, funktioniert aber ebenfalls brilliant. Müssten eigentlich viel mehr Leute kennen, das sind verkannte Genies, diese Herren aus Turin, die 2008 als Duo begonnen haben und inzwischen sowas wie ein offenes Projekt haben, welches eben auch mal gerne Gastmusiker einlädt. ThEb (8,5)

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ELECTRIC TAURUS/PREHISTORIC PIGS
Split LP
Go Down Records


Bisher kannte ich ELECTRIC TAURUS nur vom Namen her und wusste auch nicht, dass hier eine Dame singt. Too bad, denn allein der Jessica Thoth-artige Gesang bei "Behind the sun" ist natürlich äußerst beeindruckend. Die Heavy-Blues/Stonerriffs, die als Fundament darunter liegen, bzw. sich im laut/leise Wechselspiel mit der Sängerin den Spot teilen, geben dem Song eine schaurige Aura, die durch eine morbide Flöte noch befeuert wird. Dann hört man einige SABBATH-Gedächtnisriffs, bevor es psychedelisch wird. Das Drum-Solo allerdings durch den Flanger zu jagen halte ich für überflüssig. Insgesamt ist "Behind the sun" aber eine Paradevorstellung. Auf der B-Seite lassen es PP dann etwas gemächlicher angehen und bauen "The perfection of wisdom" erstmal langsam und clean auf, bevor sie die Tretmine betätigen und ultraheavy werden. Gefolgt wird dieser Exzess von einem ausufernden Solo, insgesamt lebt der Song von der wohlbekannten laut/leise Dynamik. Gesang gibt es leider keinen, aber wer PAPIR schätzt, wird hier auch seinen Spass mit haben, selbst wenn es weniger versiert ist, dafür gibt es eben hin und wieder pure Heaviness. Von PP gibt es sogar zwei Songs, wobei die Heaviness langsam hochgeschraubt wird. Im Vergleich zu ELECTRIC TAURUS stinken die PREHISTORIC PIGS aber doch etwas ab. ThEb (8,5/6)

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GRAI
Mlada CD
Noizgate/Rough Trade


Ungewöhnlich, dass Noizgate diesmal eine Folk/Pegan-Metalband raushaut, ist man sonst doch eher in der Hardcore-Ecke angesiedelt. Mit GRAI, einem russischen Quintett, beweisen die Bielefelder aber gleich ein goldenes Händchen, denn durch die Folk-Aspekte und die meist femininen Gesangspassagen kann "Mlada" durchweg überzeugen. Traditionelle Instrumente wie Maultrommel, Flöte und Gaita Gallega (Dudelsack) verleihen den elf Songs zusätzlich Farbe. Gesungen wird auf Russisch und das spendiert dem Ganzen eine mystische Aura, die den Charme der Sache ausmacht und GRAI von anderen Bands des Genres deutlich emanzipiert. Die Flöte steht oft im Vordergrund und auch der Gesang von Irina und Aliya ist recht zentral, was zu einer gewissen Massenkompatibilität führt. Der gemeine Pagan-Fan wird es wohl zu süßlich finden. Dessen außer Acht gelassen, fusioniert die Band Spaß- und Trinkriffs mit JETHRO TULL/MELLOW CANDLE-Versatzstücken, was echt klasse funktioniert. Klar, durch die Growls von Yuri hat das Album definitiv auch einen Metalanteil, aber der Folk ist wesentich zentraler. Textlich wird die bäuerliche Idylle heraufbeschworen, es gibt aber auch etliche romantische Sujets. Die Highlights sind zahlreich, allerdings wird die Combo echt polarisieren, denn letztlich bleibt dieses Album eine extreme Geschmacksfrage. De facto ist "Mlada" jedoch ein perfekt durchexerziertes Folk/Metal-Album mit reichlich Pop-Appeal und etwas gallischem Flair plus reichlich russischer Seele. Das tolle Digipak-Artwork und eine Übersetzung der Texte plus Poster runden den Release ab. In seiner Konsequenz wirklich beachtlich. ThEb (8)

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LEATHER ALIVE
Loom CD
Go Down Records


Ziemlich typischer Stonersound, den die Italiener da kredenzen. In "The Sniper" haut man zwar ein cooles Mainriff raus, aber der Gesang sowie die Produktion stehen doch auf etwas schwachen Beinen. Andererseits muss man sagen, dass Riccardo Guidi eine echt individuelle Stimme hat, die etwas an Cobain in seinen krächtzenden Momenten erinnert. Der deutliche Akzent stört zwar nicht beim Genuss der Desert-Riffs, aber sonderlich toll ist er eben auch nicht. Ich weiß nicht, bei der ganzen Konkurrenz, die sich momentan im Stonersegement tummelt, sehen LEATHER ALIVE eben ziemlich blass aus und obwohl die Vocals eigen sind, ist eben nicht genügend Druck dahinter. Acht Songs, die eine gewisse Punk- und Grunge-Affinität aufweisen, aber eben bestenfalls Durchschnitt sind. ThEb (6)

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Cynthia Nickschas
Kopfregal CD
Sturm & Klang


Konstantin Weckers Liedermacherlabel veröffentlicht mit der Bonnerin Cynthia Nickschas die erste Songwriterin und positioniert sich zugleich auch im Jazz/Easy Listening Umfeld. Das Artwork sieht zwar eher punkig aus, aber der großteil des Albums und Songs wie "Warum" kommen eher gesetzt und akustisch daher, setzen aber schon auf smarte Texte und Gesellschaftskritik, die auch verändern will. "Positiv denken" und "Niveau", beides Reggaetracks, sind weitere Beispiele für besagten Kontrast zwischen Jazz und Punk, denn textlich ist Nickschas schon rebellisch. Stimmlich darf man einiges erwarten, von glockenhellen Oktavsprügen, über Soulaffinität bishin zu rauchigen Rockröhrenparts. In Summe finde ich manche Texte etwas überladen und sehr auf externe Dinge bedacht, fest steht allerdings, dass Nickschas eine Menge richtig macht und das soll jetzt gar nicht gönnerhaft klingen. Ein gutes Beispiel für einen reduzierten Track ist "Gold glänzt nicht", denn durch den textlichen Purismus können eben die Stimme und die Jazzchords besser wirken. Die spanische Gitarre in "Verdummt genug" macht ebenfalls Eindruck. Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird, ich denke aber mal, dass die Resonanz äußerst positiv ausfallen wird. Gefällt. ThEb (7)

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SNAILKING
Storm CD/LP
Consouling Sounds


Das illustre Doom Metal Front-Magzin hatte unlängst ein Interview mit den Schweden im Heft und das machte natürlich neugierig. Damals war die EP "Samsara" aktuell, inzwischen hat das Trio fünf neue Doom-Monolithen geschaffen, die es je Song auf über zehn Minuten bringen. Die langsamen, brachialen Riffs werden sicherlich den ein oder anderen Vergleich zu YOB einbringen, ich finde "Premonitions" aber zugänglicher und irgendwie hat das Album auch eine Crust- und Grungenote, so blöd das jetzt klingen mag. Kleine Jam Interludes findet man ebenfalls, aber die Atmosphäre bleibt immer extrem düster. Meist lässt sich die Band acht Minuten Zeit, um alles vorzubereiten, nach dieser Zeit hat man den Hörer willig gespielt und fährt dann die Heaviness hoch. Die Songs haben definitiv ihree Spannungsbogen, die auch angesichts der fortgeschrittenen Spielzeit funktioniert. "Slithering" erinnert etwas an MASTODON, die Gitarre röhrt brachial, der Gesang ist evil bis proggy, die Strukturen komplex, die Fills halsbrecherisch, obwohl alles recht langsam ist. Eventuell liegt gerade ja auch darin auch eine große Herausforderung. Sollte man auf alle Fälle mal antesten, Doomster werden mit Sicherheit Gefallen dran finden. ThEb (8)

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TUNDRA
Coro LP
Go Down Records


Sakrale Synthies eröffnen das Album, werden aber jäh von Feedback und psychedelischen Gitarrenleads durchbrochen, der Bass röhrt und der Drummer gibt sich verspielt. So weit so gut. Bis dann die bange Frage auftaucht, ob man sich jetzt wieder auf zehn instrumentale Songs mittlerer Virtuosität einstellen darf. Man darf. Klar, in guten Momenten werden Erinnerungen an HAWKWIND wach, aber Dave Brock singt wenigstens bisweilen. Die Klangfarbe bei TUNDRA ist ähnlich, düstere Basslines treffen auf atmosphärische Leads und sofern man nicht allzuhohe Erwartungen an die Arrangements hat, kann "Coro" auch ganz gut unterhalten. Eine weitere gute Combo die sich mit Hilfe des Flangers durch Bluesskalen rifft. Insgesamt recht abwechslungsreich und auch gut gemacht, aber da könnte noch mehr passieren. ThEb (7)