WITH LOVE, September 2015-Reviews

SEPTEMBER 2015

Text?

John Allen
Orphan Keys MCD
Gunner Records


Den Einstieg bietet der Simon And Garfunkel-Song "America", den John Allen stilecht am Piano intoniert. Nur mit seiner rauen Stimme und dem Tasteninstrument gelingt dem Hamburger sogar eine ganz beachtliche Version des Klassikers, an dem man sich auch hätte ganz schön verheben können. Sei's drum, es ist also melancholisches Singer/Songwritertum angesagt, einmal mehr. Ist es schlimm, wenn ich keine Luftsprünge mache? Nun gut, man muss Mr Allen zugestehen, dass er lyrisch so manchem Singer/Songwriter überlegen ist, denn die Texte sind phänomenal. Das sakrale "Thou shalt be saved", eine Hommage an Rock n' Roll und Bob Dylan, macht die anfängliche Indifferenz schnell vergessen, denn der Magie des Songs kann man sich nur schwer entziehen. Das Tom Waits-Cover "Ruby's arms" vermag dem noch eins draufzusetzen, auch wenn natürlich niemand so eine schöne, verlebte Suffstimme wie Waits hat. Insgesamt auch für Skeptiker des Genres interessant, eben weil diese Intimität selten erreicht wird und John Allen ein Poet ist, wie er im Buche steht. ThEb (8)

Text?

DEEP BLACK
Nails CD
Ván Records


Darf ich dieses Album unspektakulär finden? Gerade für Ván-Verhältnisse echt Mittelmaß. Zwei Berliner leben ihre Affinität zu Wave/Gothic aus und obwohl ich das Genre durchaus schätze, springt der Funke hier nicht über. Mag an der unheimlichen Spanne liegen, die zwischen einzelnen Song existiert, denn man pendelt zwischen belanglosem und echt versiertem Material. Generell bleibe ich dabei, dass zwölf Songs gerade für Debüts zuviel des Guten sind. Auch hier wäre weniger mehr gewesen. Die halbgaren Kompositionen raus und das Gesamtwerk straffen. Highlights sind "Them" sowie der Titeltrack "Nails" oder "Years of the lamb" und die Songs funktionieren, weil der Gesang nicht superexperimentell ist, sondern eingängig. Klar ist wo das Duo hinwill, aber so hohe und ehrbare Ziele wie THE BEAUTY OF GEMINA oder FIELDS OF NEPHILIM sind eben ambitioniert, da ist rantasten angesagt. Wie gesagt, teils gelungen, teils misslungen. Potential hat die Combo allemal, der Longplayer braucht aber eine Weile, bis er wirken kann. ThEb (6,5)

Text?

DESTRUCTION UNIT
Negative Feedback Resistor CD
New American Heavy Underground/Cargo


Mir wurde Zerstörung versprochen und DESTRUCTION UNIT liefern Zerstörung. Exzellent. Hinter dem kryptischen Bandnamen verbergen sich x Herren aus y. Generell geht es konzeptionell aber in Richtung Hardcore meets Noiserock, so schlägt "If death ever slept" mit einer Spielzeit von knapp drei Minuten eben genrebedingt kurz zu Buche. Teils geht es psychedelisch wie in "Salvation" oder "Animal instinct" zu, aber der Noiserock-Anteil geht nie verloren. "Chemical reaction/chemical delight" ist dann etwas cold wave lastig, hat aber auch einen verqueren Surfcharme, THE CRAMPS meet MADRUGADA? Ganz schöne Nischenmusik, aber dafür eben konsequent und versiert in dem, was geboten wird. Das Fazit ist, dass DESTRUCTION UNIT unheimlich viel Charme haben, da sie BLACK FLAG, BIAFRA, UNSANE, NATION OF ULYSSES und etliche alte Größen zitieren und sich dabei herrlich zeitlos geben. Hätte mir jemand diese Veröffentlichung als aus den 80ern stammend untergejubelt, ich hätte es ihm glatt abgekauft. Struktur ist dann aber der Strohhalm, an den man sich vergeblich zu klammern sucht, denn auf den acht Songs des Albums geht es beständig drunter und drüber. Ein unberechenbares Album, auf dem das Chaos regiert. Sehr unterhaltsam. ThEb (7)

Text?

ELYOSE
Ipso Facto CD
elyose.com


Das Trio aus Frankreich lässt sich am ehesten als Gothic/Wave-Combo bezeichnen und was anfangs etwas nach attraktive Sängerin geht für ihre Band auf Nerdfang wirkt, schließlich spielt Justine Daeé auf dem Cover und in den Clips die Hauptrolle, relativiert sich später etwas, denn ELYOSE sind tatsächlich eine recht kompakte und versierte Band. Klar, die Synthies sind recht steril, die Arrangements pathetisch, aber das dürfte Genrefans keinesfalls abschrecken. "L'animal-aimé", einer der stärkeren Songs, hat ein schmissiges Hook und generell hat die Gruppe schon ein Händchen für Hits. Gesungen wird auf französisch, alle Texte liegen dem Digipak bei. ThEb (7)

Text?

FACELIFT
The Falling Trees CD
Pate Records/Rough Trade


"FACELIFT haben bisher fünf Studioalben aufgenommen und 1000 Shows gespielt" ist so ein Satz, der Musiker sowie Schreiberlinge in Ehrfurcht erstarren lässt und wenn die betreffende Band dann noch nach THE PIXIES, SONIC YOUTH, BELLY und THE BREEDERS klingt, umso besser. Besonders markant ist sicherlich der Gesang von Andrea Orso-Hödl, die bisweilen Unterstützung von Clemens Berger bekommt. Vor allem machen die Vocals im hypnotischen "We are one and one is all we are" Eindruck, weil Andrea der Kniffe reichlich einsetzt, da sind variable Tonlängen, eine Kanonpassage und damit es richtig anspruchsvoll wird, darf diese gegen Ende ganz oft mantraartig wiederholt werden . Ein weiterer Pluspunkt der Band ist der starke Fokus auf die Rhythmik, ohne dabei die Melodien zu vernachlässigen oder die Noisequote zu senken. Sehr idyllisch und trotzdem rockig. Mir fehlt jetzt leider der Vergleich zu den Vorgängeralben, aber "The Falling Trees" bietet zehn exzellente, abwechslungsreiche Songs, unter ihnen kein halbgarer Track, da haben sich die drei Grazer wirklich konsequent um Niveau bemüht. Textlich gibt es Zwischenmenschliches aber smart verpackt. Komisch, dass ich von denen noch nichts gehört habe. File under awesome. ThEb (8)

Text?

GET DEAD
Tall Cans And Loose Ends CD
Gunner Records


Hierbei handelt es sich um den zweiten Akustikrelease von GET DEAD, also das Album, welches vor "Bad news" erschien. Anschließend bekündete Fat Mike von Fat Wreck Interesse, signte die Band und veröffentliche "Bad news" auf seinem Label. GET DEAD spielen eine Mixtur aus Folk und Punkrock, wie man sie bereits von den DROPKICK MURPHYS oder THE TOSSERS kennt, allerdings mit dem Unterschied, dass die Kalifornier primär auf der Akustischen zocken und nur äußerst selten eine verzerrterte Klampfe einbauen. Dafür sind die Vocals in "This one's for johnny" schön räudig und verlebt. So kompensiert man meiner Meinung nach ganz gut die fehlende Distortion. Textlich beeindruckend, musikalisch einfach und nachvollziehbar. Etliche Highlights werden erst im letzten Drittel des Albums abgefeuert, aber auch zu Anfang gibt es mit "Fuck you" ein absolutes geniales, banjolastiges, Highlight. Die ruhigeren Momente wie "Battlelines", in denen eher das retardierende Moment ausgekostet wird, sind ebenfalls eindrucksvoll und zeigen, dass Sam King einen reduzierten Song mit seiner heiseren Stimme alleine gut rocken kann. "Rosebud" zelebriert die unglamouröse Seite des Tourens, das Pennen auf Isomatten und Abende an denen die andere Band das Publikum ist. Mit "Hang on" beschließt man die Triologie der ruhigen Songs und variiert das bekannte Schema, indem man ein Cello einbindet. Joe Raposo, der seit 2010 bei LAGWAGON ist, steuerte übrigens den Upright Bass und die Banjo-Passagen bei. Der Rausschmeißer "Rattle Snake" beschließt den Release mit einigen SHADOWS- und "Raw hide"-Zitaten. Ein cooles Album für Fans der ruhigen Momente. ThEb (7)

Text?

THE ICARUS LINE
All Things Under Heaven CD
American Primitive /Agitated Records /Cargo


Dieses Album lief hier echt ziemlich oft und was bleibt, sind irgendwo gemischte Gefühle, denn die Vorgänger-Ep "Avowed Slavery" und auch das Vorgängeralbum "Slave vows" war etwas kompakter und wesentlich zugänglicher. Aktuell darf man sich erstmal durch Songs mit akustischen Exorzismuspassagen kämpfen, wie im adequat betitelten "Total pandemonium", bevor dann die Schmuckstücke in der Sammlung zum Vorschein kommen und man sich langsam an das Format dieser Band zurückerinnert. Nicht falsch verstehen, auch "Ride or die" ist ein großartiger Song, aber die psychotischen Schreipassagen sind echt heavy. Natürlich war das schon immer Teil der Band, aber aktuell fährt man diesen Aspekt voll aus. Beeindruckend sind die Hammond-/Farsisapassagen und die grandios eingespielte Rhythmussektion. Zwölf genail-verstörte Songs, voller Noiseattacken und wabernden Klangtexturen. Genial, wenn man das entsprechende Nervenkostüm mitbringt. Highlights sind das psychedelische "El Sereno", "Incinerator blue", das sedierende "Sleep now" und die spoken word Hasstirade "All things under heaven", die so rein gar nichts mit dem Hippiecharme von THE BYRDS zu tun hat. Für Noiserock-Affinicionados definitiv unverzichtbar! ThEb (8,5)

Text?

LEONARD LAS VEGAS
Jagmoor Cynewulf CD
Blackjack Illuminist Records


Nachdem der Promowisch mir den Begriff "Shoegaze" untergejubelt hatte, setzte ein Stadium der Assoziationen ein, wo vorher mangels Gitarren nicht viel passiert war. Klar, Ähnlichkeiten mit LAST DAYS OF APRIL oder ELLIOTT sind feststellbar, aber SWERVEDRIVER oder schräge Shoegaze-Bands höre ich da nicht raus. "Checkout & goodbye" hat sogar einen Wave-Touch, was natürlich ganz cool wirkt, während in "Anything but this" Britpop als Kontrastprogramm präsentiert wird. Als großer Fan von Kongruenz irritiert mich besagter Song stilistisch etwas, aber der anfangs angedeutete Weg wird später fortgesetzt, also kein Grund zur Klage. Die Produktion und das gesangliche Können sind medium, im Vordergrund steht aber das Gesamtkonzept und die fließenden Kompositionen, die den Hörer umgarnen und in eine melancholisch-optimistische Stimmung versetzten. Zwölf Songs sind zwar reichlich Stoff, aber wer sich in der Grauzone zwischen "Shoegaze", Wave und gelegentlichen Popsongs (Need to end) Zuhause fühlt, findet in LEONARD LAS VEGAS ein eigenwilliges und einzigartiges Duo. ThEb (7)

Text?

LEWIS AND THE STRANGE MAGICS
Velvet Skin CD
Soulseller Records


Instrumental gesehen ein absolutes Highlight, denn UNCLE ACID AND THE DEADBEATS haben hier auf alle Fälle Pate gestanden. Etwas mehr Toleranz benötigt man jedoch bei den Texten und beim Gesang. Erstere sind zunächst etwas unbeholfen, dann wieder recht plakativ und gewollt creepy. Die Vocals sind recht hoch und bisweilen quietscht Lewis recht auffällig. Gut gefällt mir dagegen die Orgel in "How to be you", der gesamte Song hat einen COVEN-Vibe und funktioniert tadellos. "Suzy's room" hingegen ist zerfahren und fesselt nicht wirklich. Derart verquer geht es leider auch weiter, den Okkultrock-Touch verliert das Trio zügig zugunsten hippieartiger und viel zu abwechslungsreicher Songstrukturen. Für ein Debüt absolut hörbar, aber meiner Meinung nach will die Band zuviel auf einmal, da taucht in "Golden treads" ein Polka Rhythmus neben einer Fuzzgitarre und der 70er Hammond auf, ist irgendwo der totale Genremix. Weniger wäre definitiv mehr gewesen. Letztlich bietet der Longplayer mit "Carbon wine" und "How to be you" überdurchschnittliche Songs, aber in Summe ist der Release Durchschnitt, weil man immer wieder ähnliche Boogieriffs hört und der Gesang manchmal uninspiriert rüberkommt. Beinahe alles richtig gemacht. ThEb (6,5)

Text?

THE LONG ESCAPE
The Warning Signal CD
thelongescape.com


Seit 2008 ist die Band aus Paris bereits unterwegs und "The Warning Signal" ist nun der zweite Longplayer, die Ep "Excess of empathy" bot dann 2009 den Einstieg ins Studiogeschehen. Das Cover deutet es bereits an, es wird proggy, teils huldigen die Franzosen DREAM THEATER, dann wieder MASTODON und FILTER, was die Gesangslinien angeht auch gerne COHEED AND CAMBRIA. "Seas of Wasted Men" macht dann aber vor allem gesanglich Eindruck. Erinnert mich etwas an EMBODYMENT während ihrer "The Narrow Scope Of Things"-Phase. Einfach grandios. Das Songwriting des Quartetts ist ebenfalls äußerst versiert und neben ordentlichen Hooks überzeugt die Combo mit komplexen aber zugleich nachvollziehbaren Arrangements. "Carnival of deadly sins" bietet zudem einige Pianopassagen, die dem Gesamtsound natürlich Tiefe geben, ohne dass es zu seicht werden würde. Ein weiterer Track, der wahrlich hervorsticht, ist "The Search", denn mit seinem dominanten Bass und dem zweistimmigen Gesang ist der Song mitreißend und hat echt Hitcharakter. Die Gitarren sind zwar sehr klinisch, aber man steht eben in einer gewissen Tradition. Für Progfans ein echter Geheimtipp, denn hier reiht sich Smasher an Smasher. ThEb (8)

Text?

MIRACLES
Motels CD
Music Mansion/Flix


MIRACLES ist die neue Combo von den ehemaligen SAINTE CATHERINES-Leuten Hugo Mudie and Fred Jacques, die sich diesmal folkig geben und da sie aus Quebec kommen auch französisch singen. Erinnert mich etwas an die Solo-Alben von Mike Ness, denn sowohl inhaltlich, als auch stimmlich hält man sich an den SOCIAL DISTORTION-Frontmann. Mit "Vieille ville sale" hört man eine französische Version von "Dirty old town" und "Lendemain de veille" greift dann Country-Elemente auf und mit Felicity Hamer hat man eine tolle Gastsängerin dazugeholt. Die Elvis-Nummer "You are always on my mind" funktioniert auch auf französisch, wobei das gesamte Album trotz der guten Produktion natürlich irgendwo ein Nischenprodukt ist. Gefällt. ThEb (8)

Text?

NOVEMBRE
S/t CD
novembre.bandcamp.com


Das Album beginnt mit Filmmusik und diese cineastische Tendenz setzt sich fort, denn bei NOVEMBRE handelt es sich um ein Hip Hop/Spoken Word Duo, welches natürlich Samples einspielt und auch teilweise Streicher und Piano integriert, wenn "L'Admiral" seine komplexen französischen Texte loslässt. Die Sprachgewalt kann ich primär zwar nur an Masse, Tempo und Phrasierung, Sprachmelodie, Fluss und Gewandtheit ausmachen, aber auch inhaltlich scheint der Mann mit dem Pseudonym hinter dem Mic etliche Haken zu schlagen. In "Music hall" hört man dann vermehrt elektrische Gitarre und Drums für die sich "Le Pendu", die andere Hälfte des Duos verantwortlich zeichnet. Alles kommt recht organisch rüber und ich gehe aufgrund des positiven Gesamtsounds mal davon aus, dass alles eingespielt wurde, und die Drums nicht etwa aus dem Rechner kommen. Andererseits ist die Anschlagintensität bisweilen schon fast zu gleichbleibend und der Klang manchmal blechern. Ist aber ein Detail, en gros wünsche ich mir doch tatsächlich, dass mein Französisch etwas substanzieller wäre. Zehn Songs, welche ab und zu, wie in "Entre chien et loup" (zwischen Hund und Wolf) sogar recht radiotauglich und atmosphärisch daherkommen. Ist super zum Relaxen, man lauscht konzentriert dem Mantra von NOVEMBRE. ThEb (7)

Text?

PATH OF SAMSARA
The Fiery Hand CD
Ván Records


Der erste Eindruck ist irgendwo, dass das Trio ganz ordentlich THE DEVIL'S BLOOD huldigt. Dies lässt sich rasch an Artwork, Gesamtsound, Bombast sowie dem Vibe einiger Songs festmachen. Parallelen werden vor allem bei "The Dawn of Saturn" mehr als deutlich. Andererseits muss man dies wieder etwas relativieren, denn die Vocals des Sängers sind natürlich wesentlich zahmer als Faridas kraftvolle Stimme und insgesamt setzen PATH OF SAMSARA weniger auf Hardrock. Überzeugen kann die Band aber allemal, denn das Drumming in "Serpent Magick" ist äußerst bombastisch und der Refrain geradezu hypnotisch. Das Songwriting en gros ist stets zugänglich und aber doch so verschachtelt, dass man gefesselt bleibt und dessen harrt, was da noch kommen mag. "Withered tree" leitet den Kurswechsel ins Psychedelische ein und auch hier schlägt sich die Gruppe fabelhaft, denn beim Aufbau der dröhnenden Klanglandschaften wird der Drummer wieder äußerst lebhaft und treibt das Ganze an. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass das opulente Schlagzeug die Langsamkeit einiger Kompositionen kompensiert und maßgeblich zum Gelingen beiträgt, denn wenn in "The blue demon" langsam und akustisch eröffnet wird, vermisst man bereits die Rhythmussektion. Im Verlauf des Songs denkt man dann etwas an THE PICTURE BOOKS, denn der Track ist recht minimalistisch und zwischendurch spielt jemand auf der Mundharmonika, was dem Song einen Western-Touch gibt. Das Album ist vielversprechend und auch ein Grower, man kann es sich oft zu Gemüte führen und durch die epische Note wird es nicht eintönig. Anspieltipp "Death Aeon - Gateway". ThEb (8)

Text?

PAVILLON ROUGE
Legio Axis Ka
Dooweet


VNV NATION meets Black Metal-Riffing? Elektro trifft auf NACHTMYSTIUM? Funktioniert in den neun Songs der Franzosen überraschend gut. Die Stilumschreibung trifft sich übrigens mit der eigenen Aussage der Band, was im Nachhinein ganz schön ist und bedeutet, dass ich den Interpretationsbogen nicht überspannt habe. Könnte sogar sein, Black Metal Puristen PAVILLON ROUGE Format eingestehen müssen, denn das Riffing zitiert schon die Tugenden von wichtigen BM-Bands wie frühe ULVER und DARKTHRONE. Unterbrochen wird das Gebretter von atmosphärischen Parts und den typisch-stampfenden Darkwave Rhythmen wie sie "L'enfer se souvient L'enfer sait" oft zu bieten hat. Insgesamt leigt der Wave-Anteil aber doch bei soliden zwei Drittel. In "A L'univers" hört man dann das Kinski-Zitat, in dem er ausflippt, weil ihm jemand erzählt hat, dass er kein geeigneter Jesus-Darsteller sei. Der Song ist an sich eher verhalten und richtig aufregend wird erst wieder mit "Aurore et nemesis", welches wieder stärker Richtung BM geht. Das Highlight ist für mich aber ganz klar "Droge macht frei". Der Song ist, wie die anderen acht Tracks übrigens auch, auf Französisch und ist eine gute Zusammenführung von coolen Arrangements und starken Metaphern, was die Lyrics angeht. Überrascht hat mich "Notre Paradis", eine Coverversion von Stevie Wonders "Gangster's Paradise", aufgemotzt mit fetten Gitarren und Elektrobeats, sowie der fantastische Schlußtrack. Das Fazit ist jedenfalls, dass PAVILLON ROUGE in den bald acht Jahren ihrer Existenz eine eigene Ästhetik entwickelt haben und auch musikalisch recht innovativ sind. ThEb (7)

Text?

SCHAKAL
S/t CD
Earhammer


Rein technisch durchaus okayer Metal, aber die deutschen Texte inklusive Phrasendrescherei gehen mir unmittelbar auf den Zeiger. Hauptsache der Reim stimmt, Sinn muss sich nicht unbedingt einstellen. Zur Verteidigung der Band sei gesagt, dass ich deutsche Lyrics hasse, aber das ändert nichts darin, dass die dreizehn Songs völlig überflüssig sind. Diplomatie hin, Fleiß und Engagement her, solche Bands rauben mir den letzten Nerv. Die Gitarren gehen Richtung METALLICA und dann so heldentenormäßig drüber zu singen wie in "Das Raubgetier" ist einfach unerträglich. Die Produktion ist in Eigenregie entstanden und durchaus positiv zu bewerten. Auch an der technischen Versiertheit lässt ein Track wie "Eis und Glut" keinerlei Zweifel, aber die Fusion aus theatralischen, hanebüchenen Texten und Metalriffing nervt mich einfach unheimlich. Wer NDH-Bands mag, kann es mal testen, schlechter als MEGAHERZ sind SCHAKAL auch nicht. ThEb (3)

Text?

THE SCANDALS
The Sound Of Your Stereo CD
Gunner Records


Wow, diese Momente sind rar gesät… beim Auflegen dieses Albums keimt die Begeisterung auf, die ich beim ersten Hören von THE CASUALTIES, OPERATION IVY, RANCID oder ONE MAN ARMY hatte. Das Quartett aus New Jersey hat sich dem Streetpunk verschrieben, integriert fantastische Singalongs sowie Crew-Shouts und brettert mit einem beachtlichen Tempo durch die vierzehn Songs. Um die Sache perfekt zu machen gibt es noch exzellente Lyrics, wie in "Losing Teeth", welches den Weg nach unten beschreibt und mit einem sarkastischen "as time goes by, we lose our mind" endet. Yep. So true. Trotzdem ist das 2010 in den Staaten erschienene Debüt der Band definitiv der Soundtrack, um die Welt umkrempeln zu wollen, denn neben den kritischen Texte hat man immer eine euphorisierende Wirkung der wirbelnden Drums. "To youth" hat eine mörderische Bassline und Matt Freeman persönlich hätte sie nicht besser arrangieren und einspielen können. Der Lobeshymnen könnte ich noch etliche singen, aber die Tendenz ist absehbar. Unbedingt mal reinhören und THE SCANDALS selbst die Überzeugungsarbeit leisten lassen. ThEb (8,5)

Text?

TEN SECONDS ERA
S/t EP
tensecondsera.com


Eines vorweg, Sänger Wim Desmyter hat eine grandiose Stimme und wer Chad Kroegers Vocals mag, wird begeistert sein. Stilistisch sind TEN SECONDS ERA aber etwas DREDG oder MUSE-lastiger, es gibt also melancholischen Rock mit Mut zur großen Geste. Der Fünfer aus der Schweiz changiert in den vier Songs meist zwischen filigranen Pickings und Powerchord-Passagen, aber die Spannung bleibt immer erhalten. Der stärkste Track, neben dem etwas plakativ betitelten "Touchdown", ist der Rausschmeißer "Live it", der mich etwas an STONE COLD CHERRY erinnert und mit seiner Textzeile "it will manage you if you don't manage it" zur persönlichen Weiterentwicklung auffordert und auch die textlichen Aspekte ins beste Licht stellt. Eine EP aus einem Guss, die äußerst vielversprechend ist. ThEb (7)

Text?

WATCH OUT STAMPEDE
Tides CD
Noisegate Records/Rough Trade


Die Combo aus Bremen ist untriebig wie keine zweite Gruppe und wo das Debüt "Reacher" noch als Geheimtipp und Zufallstreffer durchgehen konnte, ist "Tides" so versiert, dass sämtliche Kritiker der ersten Scheibe bald verstummen werden. Mir persönlich gefällt, dass der Song "Scheme" beispielsweise nach THE IDORU und IGNITE klingt, dann aber wieder Deathcore-Elemente bietet. Wer die Fusion von melodisch und brachial mag, wird weiterhin happy mit der Combo sein. "Until we drown" ist dann sowas wie der Hit des Albums und Fans von kalifornischem Hardcore der Marke UNITY werden ihre helle Freude dran haben. Ein bombastischer Refrain trifft auf gigantische Riffs. Das sind die Songs von denen Musiker sich wünschen sie selbst geschrieben zu haben. In eine ähnliche Kerbe schlägt "Ironhide", einfach ein toller Singalong-Track und der Abwechslung zur Liebe wird das darauffolgende .. mit Piano eröffnet. Insgesamt kann ich, gerade im internationalen Vergleich, nur das hohe Niveau von Noisegate und WOS loben. Das Label baut Bands auf, die anfangs nicht unbedingt bekannt sind, hat aber ein Händchen für Potential, was "Tides" und auch der Vorgänger eindrucksvoll belegen. Ist als Digipak erhältlich und definitiv unterstützenswert. ThEb (8,5)

Text?

YUNA
Eigentlich CD
yunahamburg.de


Deutschrock aus Hamburg, ohne Hamburger-Schule zu sein. Die Gitarrenarbeit gefällt mir teilweise ganz gut, manchmal kommt ein THE PIXIES-Vibe rüber, aber leider folgen dann oft recht banale Refrains. Die Texte finde ich ziemlich schwach, vieles ist mir viel zu vorhersehbar und abgenutzt. Andererseits ist man auch nicht bemüht studentisch, was man YUNA zu gute halten muss. Insgesamt kann man den Longplayer anhören, ohne dass irgendein Song negativ auffallen würde, die Arrangements sind mir aber definitiv zu alltäglich. Handwerklich ist das Niveau auf alle Fälle solide, was das Quartett dann daraus macht, ist wie immer Geschmacksache. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass zwei Herzen in der Band pochen, einerseits ist da diese schrägmelodische Indieaffinität und dann kontrastiv dazu langweiliger Deutschrock. Was mich betrifft, kann man Zweiteres gerne unter den Tisch fallen lassen. Ich will jetzt auch nicht Sänger Felix alles in die Schuhe schieben, aber je flexibler er sich gibt, desto besser ist der jeweilige Song. Wenn mehr Songs in der Machart von "Reicht schon" auf dem Album wären, könnte man bestimmt eher überzeugen. Solides Mittelmaß, was das Songwriting angeht. Lokal eventuell tragbar, im Vergleich mit anderen Combos bleibt "Eigentlich" aber weit zurück. ThEb (6)