POINTERS HEAD


Welche Eindrücke habt ihr denn von Rock am Ring mitgebracht und wie seid ihr dort überhaupt untergekommen?

Sven (Bandleader & Vocals): "The Crunge", eine Band, die wir bei einem Emergenza-Gig in Bielefeld kennen gelernt haben, hatten uns gefragt ob wir mit möchten. Ein Stromgenerator, eine PA, Bier und Steaks wären auch mit dabei. Also haben wir an dem Donnerstag vor Festivalbeginn nicht lang gefackelt, ein kleines Set eingepackt und sind nach der Arbeit zur Nordschleife gedüst. Nach 10 Minuten Fahrt ist Danny, unserem Schlagzeuger, die Seitenscheibe der Beifahrertür in die Tür gefallen … was für eine Fahrt..war `ne verdammt zügige Angelegenheit bei Tempo 150. Bravo! Und was sollen wir sagen, es hat sich absolut gelohnt. Zwischen anderen Campern, direkt auf dem heiligen Teer der Nordschleife, haben wir dann vor ca. 10 Leuten angefangen und am Schluss standen über 100 vor uns! Schon irre und eine Herausforderung, den "Durchgangsmob" da zu halten. Alle waren begeistert, was aus so einem Pavillon an Sound knallte. Zusätzlich haben wir ordentlich Merch verkauft, ein paar Daten für Folgegigs ausgetauscht und sind dann schick wieder nachhause gefahren. Und wenn dann nachher gesagt wird, wir hätten einigen auf den fetten Bühnen die Hosen ausgezogen, bist du da, wo du hin willst ;-)!

Mit der "Head Army" habt ihr sozusagen euren eigenen Fanclub, den ihr mit militärischen Rängen belohnt, wenn er euch die Treue hält. Könnt ihr näher beschreiben, was alles dazugehört?

Pascal (Bass): Die Head Army ist unsere Einheit. Unsere Fans, das Publikum. Wir dachten, dass es eine super Sache wäre, wenn die Fans auf ihrer eigenen Plattform miteinander kommunizieren könnten. Passend zum Konzept der neuen Platte "Worst Case Society", auf der wir "Captain Head" als Anführer ins Leben gerufen haben. Und der Captain braucht halt eine Armee, um seine Aufgaben umzusetzen. Wer will, kann sich nur live bei einem Gig beim General registrieren lassen und erscheint dann in der Datenbank auf Head-Army.de. Es gibt verschiedene Rangstufen, die man erreichen kann. Pro Rangstufe gibt es von uns Auszeichnungen, wie bspw. Head-Army Shirts oder Kapus. Letztlich wollen wir nur erreichen, dass sich die einzelnen Mitglieder kennen lernen, zusammen die Truppenfahrten planen und einfach mehr mit der Band zu tun haben. Eine immer größer werdende Einheit, die sich gegen all die Scheiße in unserer Gesellschaft wehren will. Und wenn dann noch dieser Grundgedanke der Platte durch immer mehr Mitglieder der Head Army in die kaputte Welt getragen wird, sind doch all unsere Ziele erreicht. Einfach anfangen nachzudenken.

Ihr habt als Band eine lange Geschichte, was sind so die Probleme, die ihr als Gruppe lösen musstet, um an diesen Punkt zu kommen?

Danny (Drums): Es hat sich natürlich in der mittlerweile 14-jährigen Geschichte von Pointers Head einiges getan. Es gab die üblichen Besetzungswechsel, gescheiterte Versuche mit Keyboards, einige Jahre Findung des Stils, Namen in der Presse wie "Pionter Heads" oder "Pointet Heat", massig Ärger mit Studiobetreibern, daraus resultierende Geldsorgen, vollkommen zu Recht hektisch verlassene Hotelzimmer, mehrfacher Bandnachwuchs, bittere Niederlagen und das große Erwachsenwerden, musikalisch wie persönlich. Angefangen haben wir damals nur zu dritt. Eine Gitte, Bass und Schlagzeug. Das Konzept war damals wie heute dasselbe: Melodie muss rein. Das ging auch am Anfang ganz gut. Es waren simple Songs mit sinnfreien Texten, die ohne große Songwriter-Kenntnisse zusammengeschraubt wurden. Die ersten Kumpels hörten unsere Demos auf Partys und ein kleines Fangrüppchen war ab sofort immer mit dabei. Unfassbarerweise läuft der Song "Fische im Bauch" von unserm ersten Demo immer noch zu später Stunde auf diversen Festivitäten von Mittvierzigern als Mitgrölschlager.

So experimentierten wir damals mit Keyboards, einer weiteren Gitarre und brachten noch eine Platte raus. Alles plätscherte irgendwie dahin. Dann kam 2005 der erste entscheidende Punkt. Sven merkte, dass er beim Gitarrenspielen nicht so singen konnte, wie er wollte. Er gab seinen Saitenpart ab und konzentrierte sich nur noch auf die Vocals. Also waren wir ab sofort zu fünft. Fünf Musiker, die sich einbringen wollten. Wir entwickelten uns musikalisch immer weiter und die Ansprüche an unsere Songs gleich mit. Die Melodie blieb da teilweise schon mal etwas auf der Strecke, die Stücke wurden vertrackter. Zudem mussten wir uns in der Zeit auch persönlich neu finden. Zu viele Unstimmigkeiten brachten das Bandgefüge durcheinander.

Nach einigem Hin und Her, zwei weiteren Alben, erreichten wir die heutige Konstellation und wir müssen festhalten: Wir waren nie besser! Musikalisch versuchen wir, wieder "songdienlicher" zu arbeiten. Wir sind reifer und erfahrener geworden und stellen die eigenen spielerischen Qualitäten hinten an. Die Zeiten, in denen jeder in jedem Song sein komplettes musikalisches Feuerwerk abfeuern will, sind vorbei. Das merkt man auch den einzelnen Köpfen an. Wir gehen mittlerweile schon viel ruhiger mit dem Bandleben um. Und das dann, nach all dem zumindest eine Europatour mit den LA Guns, damals ein dritter Platz beim deutschen Rock&Pop Preis, zwei Labelverträge, und jetzt das Emergenza Regio-Finale bei herausbekommen sind, zeigt uns, dass wir viel richtig gemacht haben. Bei all den Proben der letzten Jahre in unserer Garage ein hart erkämpftes Paket. Aber hier und heute hat sich alles gelohnt. Die Devise: Weiter machen!

Ihr habt beim Emergenza mitgespielt und auch Platz 1 belegt. Wie sehr muss man heute als Band die Konkurrenz im Auge behalten und in wieweit ist alles ein Miteinander?

Smi (Gitarre): Man muss natürlich mit den andern Bands zusammenarbeiten. Sonst kämen weder die Hälfte der Gigs noch Spaß zu Stande. Daraus entstehen dann auch Freundschaften und Folgegigs. Wenn ein Topteil oder eine Snare fehlt, hilft man sich aus. Kein Thema. Aber wenn du als Band dazu noch etwas erreichen möchtest, musst du letztlich immer Knallgas geben und noch einen drauflegen. Da schaut man immer mal auf andere Bands und vergleicht sich automatisch … lernt aber auch immer dazu. Das Wichtigste aber ist, an folgenden Punkt zu kommen: Nicht verunsichern lassen! Selbstvertrauen erarbeiten und auf das eigene Können vertrauen. Wenn du deinen Jungs auf der Bühne zu 100 Prozent vertraust und jeder sich auf den Anderen verlassen kann, haut dich so schnell nichts um. Das gibt so eine Power und starke Bühnenpräsenz, dass an dem Abend keiner mehr nach Dir auf die Bühne will ;-).

Ihr habt einen gesellschaftskritischen Anspruch, wollt die Welt verbessern und transportiert dies auch in euren Texten. Lässt sich in unserer Spaßgesellschaft sowas auch live umsetzen?

Kevin (Gitarre): Da wollen wir hin. Natürlich setzt sich z. B. der Song "Die between your Legs" (vom Album "Fireplug Hysteria", Anmerk. d. Red.) leichter ins Hirn und kommt live aller erste Sahne. Aber wir sind der Ansicht, dass sich auch mit den ernsten Texten auseinandergesetzt wird, wenn die neue Platte erstmal die Runde gemacht hat. Und das birgt natürlich eine große Chance, das auch live mit dem Publikum umzusetzen und das Publikum einzubinden. Die Melodie ist weiterhin da und transportiert den Inhalt. Wir fangen jetzt nicht an, nur weil die Platte fertig ist, die Missstände da draußen so zu akzeptieren, wie sie sind. Schließlich haben wir die Texte nicht geschrieben, nur um das Album zu füllen und Phrasen zu klopfen - die Texte spiegeln unsere persönlichen Ansichten weit über eine Rockscheibe hinaus wieder. Zudem ist auch "Captain Head" bald live dabei, sprich die Figur wird in das Showkonzept integriert. Und dann geht es richtig rund!

Teilweise stammt die Band aus Lindlar, was mit seinen 20 000 Einwohnern ja recht beschaulich ist, spielt aber recht häufig in Köln. Sind die Erfolgschancen in der Großstadt größer oder kommt auch noch eine schöne Tour durch die gesamte Republik?

Pascal: Wenn du wie wir vom Land kommst, hast du dich relativ schnell "totgespielt". Also musst du raus. Da bietet sich Köln natürlich an. Aber mit dem ganzen "Pay for Play" Konzept ist es ein Graus. Du zahlst fast immer drauf. Zu Anfang kennt dich keiner, also bleibt die Bude leer, Werbung hin oder her. Und dann hängst du dich an lokale Bands und der Laden ist trotzdem unterfüllt, weil die meisten erst mal am Kiosk den Abend günstig einläuten. Das war früher anders. Der Bock auf Livemusik war ein ganz anderer. Heute findest du an jeder Ecke an jedem Abend der Woche eine Veranstaltung. Die Leute sind satt und pumpen ihr Geld lieber in die günstige Kiste von Tante Emma. Aber jammern zählt nicht. Im Ruhrgebiet und im Norden soll es noch anders laufen. Wir planen gerade eine kleine Tour durch`s Land. Mal schauen, was geht.

2007 seid ihr als Support für die LA GUNS bei neun Konzerten unterwegs gewesen. Habt ihr da persönlich mit den Jungs Zeit verbringen können?

Danny: Das war schon fett. Ich konnte auf einem Drum-Pedal spielen, welches mal Tommy Lee sein Eigen nannte, Kevin philosophierte Backstage mit Tracii über den perfekten Marshall-Sound, und am Abend saß die gesamte Bande mit uns am Tisch und wir schraubten uns die komplette fernöstliche Küche rein. So muss eine Tour laufen. Von Starallüren uns gegenüber spürte man nichts. Sicher merkst Du, wie routiniert eine Band dieses Kalibers ist, aber das haben wir uns natürlich abgeschaut und unsere Erfahrung gesammelt. Dazu muss man sagen, das Kevin gerade frisch in der Band war. Der erste Gig der Tour war sein Zweiter mit uns. Und dann trifft er auf den Typen, der mal seine Lieblingsband gegründet hat: Guns n` Roses! Astrein!

Svens Stimme erinnert mich etwas an Bruce Dickinson, aber ich glaube Sven ist gar nicht Gründungsmitglied. Seit wann ist er dabei und wie habt ihr euch gefunden?

Smi: Um ehrlich zu sein, ist Sven der letzte der ursprünglich gegründeten Formation. Also ein Mann der allerersten Stunde! Relativ dicht dahinter kommt Danny, den Sven aus einem Musikverein abwarb, der dann mit damals noch Alti am Bass die ersten nennenswerten Proben miterlebte. Aber der Vergleich mit Bruce ist dann auch wieder nett ;-)

Welche Bands haben euch inspiriert und wie wehrt ihr euch gegen den Vorwurf eure Musik sei nicht ganz zeitgemäß?

Kevin: Musikalisch kommt da einiges zusammen. Das geht los bei Pantera über Ugly Kid Joe, zieht sich über Guns ´n´ Roses bis hin zu Skid Row. So bringt da jeder sein Paket mit rein. Und irgendwann wurde aus diesen ganzen Zutaten unser spezieller Eintopf à la Head. Aber was ist schon zeitgemäß? Wir werden nie als Dauerschleife im Radio laufen. Aber es gibt da draußen so viele, die auf die guten klassischen Rocknummern stehen, und wir konnten bis jetzt live jeden von uns überzeugen. Es müssen nicht immer die vor Samples strotzenden, programmierten Mainstream-Klamotten sein. Wir sind gute Handwerker und das kommt rüber. Ganz nebenbei können wir auch nichts anderes als das, was bei einer Probe raus kommt. Man soll tun, was man kann. Es muss knallen und ins Ohr gehen. Das wird auch in 50 Jahren noch funktionieren.

Was schätzt ihr an STF Records und wie unterscheidet sich die aktuelle Labelsituation rückblickend vom bisherigen Handeln?

Sven: Offenheit, Transparenz und die Kommunikation. Auf Grund unserer eher schlechten Erfahrung mit dem ersten Label waren wir schon skeptisch, uns wieder auf ein eher "undergroundiges" Label einzulassen. Damals war es unser erster Vertrag und natürlich denkst Du "jetzt geht´s ab". Doch leider blieb die ersehnte Resonanz aus. Vertraglich war alles vorher durch Juristen gecheckt, sodass wir nicht in die typische und oft erwähnte Falle eines "Ausverkaufsvertrags" gelaufen sind, aber menschlich hat es letztendlich nicht gepasst.

Bei STF hatten wir von Anfang an das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Unsere Skepsis hatte sich direkt beim ersten Kennenlernen erledigt, weil wir gemerkt haben, man erzählt uns hier keinen Schmu. Es wurde klar und vor allem realistisch über Potenzial und Ziele gesprochen. Natürlich auch im unternehmerischen Sinne, aber das ist auch vollkommen berechtigt, schließlich geht es letztendlich ums Geschäft. Wir haben nach all den Jahren Banderfahrung einen sehr hohen professionellen Anspruch an uns und haben verstanden, dass es neben dem musikalischen Können auch um eine zielgerichtete und konzeptionelle Vermarktung geht. Die neuen Kanäle, über die Musik heute vertrieben wird, könntest Du im Alleingang ohnehin nicht oder nur sehr schwer bewältigen, zu viele Hürden. Die Musikindustrie ist dazu noch ein Haifischbecken, da braucht es Ausdauer, Disziplin und Durchhaltevermögen, wenn Du Dich als Musiker oder Band behaupten und durchsetzen möchtest…und keine Popmusik machst oder mit Dir als Casting-Act schnelles Geld verdient werden soll. Das wichtigste sind also verlässliche Partner und eine möglichst vertrauensvolle Zusammenarbeit. Daher ist für uns das Zusammenspiel zwischen STF und unserem Management sehr wichtig.

Wir arbeiten seit sieben Jahren mit unserem Management zusammen, das uns auch in Zeiten der Besetzungswechsel oder Findungsphasen nie im Stich gelassen hat. Und zu allen Zeiten zu 100% hinter uns oder vor uns stand und steht … quasi die "Mutter Beimer" von Pointers Head (lacht). In dem Geschäft sicher selten, aber wir vertrauen unserem Management blind, so dass sämtliche bürokratischen Vorgänge wie Vertrags- und Abrechnungsangelegenheiten dort in guten Händen sind, d. h. wir müssen uns darum in erster Linie nicht selbst kümmern, sondern können uns als Künstler um das kümmern, was uns am Herzen liegt: unsere Musik.

Thomas Eberhardt