Ihr seid in der Schweiz auch in Tageszeitungen aufgetaucht, braucht man da besondere Verbindungen, oder kamen die Zeitungen auf euch zu?
Beides. Einerseits spielten da sicherlich unsere Beziehungen eine Rolle, andererseits waren die auch froh über eine Band aus der Region schreiben zu können.
Ich stelle mir die Vernetzung mit schweizer Bands aus dem francophonen Bereich sehr schwer vor, gibt es da viele Kontakte? Wie kann man die Sprachbarriere überwinden?
Diese Barriere haben wir tatsächlich endlich durchbrochen! Seit einigen Jahren war es ein Wunsch von uns in der "Welschschweiz" zu spielen; von dort kommen
nämlich grosse Bands wie Knut, Unfold oder Fragment, die uns mit ihrer kompromisslosen Musik beeinflusst haben. Da war's nur logisch, dass wir uns dort auch einmal von unserer besten Seite
zeigen wollten. Doch trotz Bemühungen hat das leider nie richtig geklappt. Mit unserem ehemaligen Labelchef Fredy Rotter haben wir endlich gute Verbindungen ins die Romandie machen können und Konzerte jenseits des sogenannten Röschtigrabens sind nun keine Seltenheit mehr.
Und zur Frage wieso dies so ist: keine Ahnung. Die unterschiedliche Sprache hat von mir aus gesehen nicht viel damit zu tun. Jedenfalls sind die Abende mit Französisch sprechenden Bands trotz rudimentärer Sprachkünste auf beiden Seiten nie langweilig.
Euer Bassist Ueli Heiniger ist ja recht umtriebig, könntest du seine Projekte beschreiben?
Ueli hat die Musik mit Löffeln gefressen, das ist wahr. Einerseits macht er bei PALMER mit seinem Betonmischerbass das wuchtige Fundament; und das schon seit mehr als 6 Jahren. Dann spielt er mit Loopgerätschaften und sonstiger Elektronik auf seinem Kontrabass bei Sharf, eine Elektropopcombo aus Zürich; übrigens SwissTopArtist des Monats Januar bei Radio DRS 3. Dann sind da noch Angel Maria Torres y Sus Ultimos Mambolleros, eine Mambo Band die's live ziemlich krachen lässt. Daneben macht er, als ob das nicht schon genug wäre, noch bei diversen anderen Projekten mit.
Ist Ueli Berufsmusiker? Was machen die anderen Palmer-Musiker, wenn sie nicht gerade ein Konzert spielen? Beruf, Hobby, Vorlieben, Abneigungen?
Nein. Der Herr ist Ingenieur und arbeitet bei Studer. Die stellen Mischpulte her. Und Ueli mischt dort in der Entwicklung mit. Berufsmusiker ist keiner von uns. Und das ist, meiner Meinung nach, ein grosser Pluspunkt. Wir können der Musik als Hobby nachgehen, müssen diese nicht missbrauchen um Brötchen auf den Tisch zu bekommen. Das macht sehr frei.
Die restlichen Herren gehen sehr gewöhnlichen Jobs nach: Remo (Schlagzeug) arbeitet als Verkäufer im Pabobi Baden, einem Skate- und Snowboardshop, Jan (Guit.) ist Betriebsleiter der Alten Mühle, ein Restaurant und Kongresszentrum in Langenthal, und ich, Steve (Vocals), bin Sekundarlehrer.
Und ein gewichtiges Hobby haben wir glücklicherweise gemeinsam: PALMER
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Viele Deutsche wandern derzeit in die Schweiz aus. Was gefällt dir/euch an der Schweiz und welche Dinge sind suboptimal?
Die Schweiz ist prima zum wohnen. Schön, wunderschön, und sauber. Und was am wichtigsten ist: musikalisch sowas von vielseitig. Da spielt die urchige Ländlerkapelle zwei Häuser entfernt von der krassen Deathmetalcombo. Es gibt in der Schweiz sehr viele Bands, welche mit grossen Ausländischen Acts locker mithalten können. Leider, und das ist sehr suboptimal an der Schweiz, laufen diese Bands vielerorts in eine Wand von Vorurteilen, wenn sie einmal alles auf eine Karte setzen wollen. Da heisst es schnell einmal: 'Aha, Du bist Musiker! Und was machst Du von Beruf?'
Ja, diese verkrampfte und eher negative Einstellung des Schweizer Durchschnittbürgers zur Risikobereitschaft nervt extrem.
Denkst du, dass die unterschiedliche Währung den Verkauf von Cds und Merch ins Ausland schwieriger macht?
Diese Frage hab ich mir noch nie gestellt. Und bezüglich CDs muss man sich diese Frage glaube ich gar nicht mehr stellen. Die Tage der CD sind nämlich gezählt. Ich denke bereits in 5 Jahren wird die Musik so ziemlich ganz von seinem physischen Tonträger losgelöst sein: da werden dann nur noch MP3's oder neuere Formate runtergeladen. Ich meine, die CD-shops von gestern gibt's ja vielerorts bereits heute nicht mehr. Da geht dann das Zahlen nur noch mit Kreditkarte; und da spielt die Währung nur eine geringe Rolle. Bei Merch ist das natürlich anders. Da kämen dann noch Zollgebühren hinzu; jedenfalls solange wir in der Schweiz noch auf einer Zollinsel wohnen...
Es gab ja anfänglich auch in Deutschland viele Kritiker der Währungsumstellung (mich eingeschlossen), aber eine gemeinsame Währung führt die Nachbarländer schon zusammen, der Kurs ist stabil und erfreulich hoch, Reisen werden unkomplizierter... kurzum ... denkst du die Schweiz springt doch noch auf den Zug auf, oder soll alles so bleiben wie es ist?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Schweizer seinen Franken ohne Kampf aufgibt. Da ist er glaube ich zu stolz drauf. Wahrscheinlich handelt sich die Schweiz, falls es soweit kommen sollte, irgendein spezial Abkommen mit der EU aus, damit der Franken da bleibt.
Was aber auch bei uns deutlich zu spüren ist, ist die Tatsache, dass mit dem Euro den umliegenden Staaten sicherlich eine kräftige Währung in die Hände gedrückt wurde; jedenfalls kommen soviele Touristen wie noch selten in unsere schöne Schweiz.
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Welche Message wollt ihr dem Hörer mitgeben, was für Inhalte sind euch wichtig?
Eine Message als solches gibt es bei PALMER nicht. Wir wollen keine Lebensweisheiten, politische Meinungen oder sonstige Inhalte vermitteln. Uns geht es in erster Linie um die Vermittlung von Gefühlen. Wir wollen keine Musik machen, welche im Lift spielt. Wenn jemand PALMER hört, soll er wirklich hinhören müssen, weil es ihn irgendwie berührt.
Die Songtexte sind meistens sehr persönlich. Erfahrungen, Eindrücke aus meinem Leben.
Nach einem Gig in Basel hatte ich bezüglich Songtexte noch eine interessante Diskussion mit einem Zuhörer: er meinte, die Musik hätte ihm gut gefallen, weil sie so ehrlich und direkt daher gekommen sei. Er habe aber nie applaudiert, meinte er. Auf meine Frage nach dem 'Wieso nicht?' antwortete er: Ja, ich habe die Texte ja nicht verstanden. Du hättest jeden Scheiss singen können; da applaudiere ich sicher nicht!'
Welchen Stellenwert hat Musik in eurem Leben und nehmt ihr die Sache manchmal zu ernst, oder wünschtet ihr, ihr würdet zielstrebiger arbeiten?
Da müsstest Du wahrscheinlich jeden persönlich fragen. Bei mir ist sie nicht das Wichtigste: zuerst kommt natürlich die Familie. Aber ankerum kann man auch sagen, dass mittlerweile PALMER sowas wie eine Familie für mich ist. Somit wäre die Musik dann wieder an erster Stelle...
Was die Zielstrebigkeit anbelangt muss ich sagen, dass 'This One Goes To Eleven' seinen Teil dazu beigetragen hat, uns zielstrebiger zu machen. So strukturiert und organisiert wie damals vor dem Studio haben wir noch nie gearbeitet.
Aber dennoch glaube ich nicht, dass wir die Sache jemals zu ernst genommen haben. Hier kommt wieder die Tatsache ins Spiel, dass wir alle Musik als Hobby machen; da bleibt der Ernst glücklicherweise eher vor der Türe sitzen.
Hardcore/Punk entwickelt sich in Deutschland von der Jugendbewegung zum Altherrenclub. Seht ihr ähnliche Phänomene auch in der Schweiz?
Natürlich. Das Alter macht vor keinem Halt. Als ich meine musikalische Einstiegsdroge namens 'Pantera' zum ersten Mal hörte war ich gerademal 14. Seither sind beinahe 20 Jahre vergangen und ich höre immer noch die gleichen Panterascheiben immer und immer wieder. Nie würde ich diese auf die Seite legen, nur weil ich irgendein Alter überschritten hätte.
Wie kann man einer solchen Entwicklung entgegenwirken?
Muss man das überhaupt?
Vielen Dank für eure Antworten.
Thomas Eberhardt
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