WITH LOVE, November 2013-Reviews

NOVEMBER 2013

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BITE THE BULLET
S/t LP
Bilocation Records


Fuzz aus Kopenhagen, der neben Psychedelia ("Every boy has a broken soul") auch etliche Blues-Referenzen ("Babygirl's got soul") anbringt und beide Lager ziemlich gut miteinander verbindet. Es wird nie zu spacig, aber auch nicht zu berechenbar, sondern ist immer eine gekonnte Mischung aus Drive und Atmosphäre. In "I feel love", dem Opener der B-Seite kommt dann auch noch eine höllische Orgel zum Einsatz, der Bass dröhnt zyklisch vor sich hin und wenn die Dänen dem Ganzen dann noch einen großartig bittersüßen Refrain beigeben, denkt man beinahe man säße in einer Zeitmaschine zurück in die Sixties. Auch der Rest der B-Seite bleibt stark und "Hit the ground" lässt auch mal an THE MC5 denken, ohne dass hier angekupfert würde, denn neben der typischen Wayne Kramer-Leadgitarre hört man auch Feedback und reichlich Reverb. Gegen Ende schöpft die Combo mit "Space drum" nochmal richtig aus dem Vollen, STEPPENWOLF meets HAWKWIND sozusagen, einfach genial. Zehn großartige Tracks auf einer LP, die man sich unbedingt holen sollte. ThEb (8)

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THE DARK SHADOWS
Autumn Still... CD/LP
Halb 7 Records


Das All-Girl-Trio THE DARK SHADOWS aus Australien fusioniert New Wave mit Pop-Melodik und lässt durch den JOY DIVISION-Einschlag durchaus aufhorchen. "Nobody knows" ist ein melancholischer Song, der aber durch den phänomenalen Gesang von Sängerin Brigittte Handley, die etwas an Gwen Stefani erinnert, auch eine sehr zugängliche Natur hat, "Written in the snow" ist ein nahe an Ian Curtis angelegter Song und zeigt eher die Wave-Seite der Band, hat aber eine fantastische Synthiemelodie die den Song zum Dauerbrenner macht. Das GRAUZONE-Cover zu "Eisbär" ist auch okay, wobei sich mir die Magie dieses Songs nie offenbart hat. Der Rausschmeißer "Twinns" dürfte auch Fans von THE STATIC AGE gut gefallen und wenn's auch mal poppig-wavig sein darf, dann ist man hier garantiert nicht verkehrt. Auf der zweiten Full Length Veröffentlichung, die die Band neben etlichen Singles veröffentlicht hat, sind jedenfalls 13 Tracks und das Teil ist begrenzt auch als LP zu haben. ThEb (8)

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DISTASTE
Black Age Of Nihil CD
www.facebook.com/distastegrind


Erster Gedanke? Evil! Zweiter Gedanke? Wie kann man zu dritt so ein Grind-Brett abliefern? Vielleicht indem man seit 2000 aktiv ist und eben alles verinnerlicht hat, was TERRORIZER, BRUTAL TRUTH und Konsorten abgeliefert haben. Drummer Lukas Haidinger dürfte jedenfalls sein Sportprogramm für die Woche nach einer Probe erledigt haben und selbst wenn man wie in "Force fed lies" das Tempo in CROWBAR-Gefilde runterschraubt, begeistert der Zweitling der Österreicher ohne Einschränkung. Textlich ist "Bringer of death" programmatisch, denn DISTASTE greifen so ziemlich alles an, was unsere Konsumgesellschaft ausmacht. Waffenhandel, Industriehörigkeit und das Spiel mit dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen. "Vermination" geht noch einen Schritt weiter und prangert die Passivität und die Rückgratlosigkeit vieler Menschen an, was nun wieder mit dem Sicherheitsbedürfnis zusammenhängt, aber natürlich ein berechtigter Kritikpunkt ist. Musikalisch derbster Grind, der aber viel Abwechslung bietet. Mit das coolste Album, welches ich seit der aktuellen PIG DESTROYER gehört hab. ThEb (9)

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DOYLE
Abominator CD
Monsterman Records/Cargo


Als einziges verbleibendes Gründungsmitglied ist Jerry Only momentan mit Dez Cadena (BLACK FLAG) und dem ehemaligen MURPHYS LAW Drummer Eric Arce als MISFITS unterwegs. Außer dem Namen und dem Corporate Design hat diese Band aber für viele nur noch wenig mit den Original-MISFITS zu tun und nach dem Ausstieg von Jerrys Bruder Doyle hab' ich persönlich auch etwas das Interesse an Jerrys Band verloren. Umso besser, dass DOYLE jetzt unter eigenem Imprint ins Rennen geht. Mit 21 Jahren als Gitarrist im Lineup hat er sicherlich die Essenz der MISFITS mitgeprägt und so ist auch "Abominator" ein Album, welches vielleicht sogar den aktuellen MISFITS gefährlich werden könnte. An den Drums sitzt Dr. Chud, also ist man der MISFITS Besetzung von "Famous Monsters" recht nahe. Sänger Alex Story war auch schon bei GLORIOUS FRANKENSTEIN, Doyles Vorgängerband aktiv. Das Ganze erinnert mich auch etwas an die Graves-Ära der MISFITS, obwohl die Vocals hier deutlich weniger Theatralik bieten und eher punkkompatibel sind. Einige Highlights sind "Learn how to bleed" und "Dreamingdeadgirls", wobei letzteres ziemlich nahe an "Scream" rankommt. Klar, Verfechter der alten SAMHAIN und früher MISFITS werden den "früher war alles vieeel besser"-Gesang anstimmen, aber objektiv gesehen, kann man mit "Abominator" wenig falsch machen. Eine Unmenge an Songs lässt genügend Spielraum für individuelle Faves und das Artwork und die Texte sind schaurig wie eh und je. Der Schwerpunkt liegt definitiv auf uptempo Punksongs und immer wieder zitiert man sich selbst, so kommen Adaptionen von "We are 138" in "The life of a headhunter" zum Tragen und auch spätere Alben werden hemmungslos plagiiert. Wer's positiv sehen möchte, kann ja auch von Konsequenz und Siltreue sprechen, sei's drum, die 16 Tracks mögen zwar nicht so eingängig wie einige Tracks der Graves-Ära sein und können Glenn Danzigs-Oevre auch nicht ganz das Wasser reichen, aber wer's etwas rauer als das sehr melodisch-eingängige "The Devil's Rain"-Album mag, sollte DOYLEs Output mal antesten! ThEb (7,5)

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LEFT THUMB UP
Where Is My Monkey CD
Left-thumb-up.de


Nach zwei EPs nimmt die Band aus der Nähe von Karlsruhe jetzt mit dem Full-Length-Debüt eine weitere Hürde auf dem Weg zu nationaler Melodycore-Bekanntheit. Öffentlich hört diesen Stil natürlich niemand, aber irgendwer muss doch die ganzen SAMIAM und NO FUN AT ALL-Alben gekauft haben, richtig?! Die Themen sind genretypisch, was aber auch okay ist, denn wenn niemand mehr Rollbrett fährt und keine Bierchen mehr geöffnet werden, dann ist die Lage doch auch alarmierend. Zwölf Songs voller melodischer Gitarrenleads, tightem Drumming und einer kleinen BLINK 182-Hommage namens "It is". Für ein Debüt ganz ordentlich, aber ob das mit dem vereinzelten Sprechgesang sein muss, weiß ich wirklich nicht. Fest steht jedenfalls, dass man nach dem Hören direkt beim Genre bleibt und erstmal das Regal plündert, also Mission gelungen! ThEb (6,5)

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MANTRA
Into The Light CD
Tribal Warming/Finisterian End


Obwohl das Artwork recht sphärisch anmutet, spielt die Band eher handfeste Riffs und erinnert doch das ein oder andere Mal an GOJIRA und MASTODON. Vor allem das Stop and Go, sowie die instrumentalen Zwischenspiele oder buddistisch-anmutende Hintergrundgesänge lassen an die Franzosen denken, während die Riffs und Leads schon eher nach Hinds und Co. klingen. Beides zu verbinden ist nun wiederum ein Unikum und eine Neuerung, die es so bisher noch nicht gab. "Roborn" mit über acht Minuten Spielzeit ist dann aber relativ selbstständig indem es Heaviness mit Prog-Spielereien verbindet. Pierre Junod liefert gesanglich ein kleines Kirk Windstein Tribut ab, während der Rest des Vierers sich gegenseitig untypische Rhythmen und schräge Takte vor die Füße wirft. Mit fünfzig Minuten Spielzeit ein sehr lohnender Release. (7) ThEb

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ONE BURNING MATCH
S/t CD
Histrion Records


Das Intro zu "Rebellion" macht schnell klar, dass diese Band aus Frankreich nicht gerade einen Faible für Kapitalismus und seine Strukturen hat. Es wird sogar der Vergleich zwischen Lohnarbeit und Sklaverei gezogen. Dieser ist natürlich unpassend und maßlos überhöht, aber Arbeit ist natürlich integraler Bestandteil unserer Existenz und es ist natürlich bedenklich, wenn Multijobber zur Norm werden, aber trotz mehrerer Jobs finanziell nicht über die Runden kommen. Inhaltlich ähnlich engagiert wie BANE und sicherlich auch musikalisch nicht Welten davon entfernt. Toughes Shouting, melodische Gitarrenleads und Crewshouts gehören natürlich auf alle Fälle dazu. Dass der Bass bei der Produktion ordentlich in den Vordergrund gestellt wurde, ist ebenfalls ein cooles Unikum. "The melody of fall" bietet dann ein weiteres Spoken-Word-Fragment, in welchem angemerkt wird, dass wir, falls unser Konsum konstant weiterwächst, 2030 zwei Planeten brauchen werden, um unsere Begierden zu befriedigen. Einziges Manko ist, dass keine Texte beiliegen und der Gesang etwas angezerrt klingt, muss jetzt bei einem HC-Album nicht unbedingt sein. Insgesamt ist aber die positive Message, dass man die Gesellschaft selbst mitgestalten soll, zentral und gibt dem Release auch eine Sinnhaftigkeit, die nicht jeder Band inneliegt. ThEb (7)

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PERRO MALO
Useless MCD
Go Down Records


Blues Rock mit Schweden-Vibe, der sich an '77, THE HELLACOPTERS und RIVAL SONS orientiert, aber natürlich noch mit einigen Schwächen zu kämpfen hat. Die Twin-Guitars in "Something Wrong" kommen aber ziemlich cool rüber und auch der Gesang hat Druck und ist trotz des deutlichen Akzentes Indiz dafür, dass PERRO MALO auch langfristig einiges zu bieten haben. Was die Gesangslinie von "Useless" angeht, so ist sie ziemlich die selbe wie bei "Hate to say I told you so" von THE HIVES, aber die Bridge und die ansteigenden Tonfolgen kontrastieren das alles ziemlich gut und der Track ist definitv der Stärkste auf dem Release. Auch "London" flacht keinesfall ab. Mit "Vicious" covert man einen Lou Reed-Klassiker und damit kann man wohl nicht viel falsch machen. Der Rausschmeißer "Something doesn't work" atmet den Spirit der STONES und so bieten die Italiener ein ganz gutes Spektrum an Silvielfalt. (6,5) ThEb

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PLACENTA
Missgunst und Neid CD
Noizegate Records/Rough Trade


Wenn man das Debüt "Fixed Action Pattern" von 2009 auflegt und anschließend und anschließend dem aktuellen Album einige Durchläufe gönnt, ist das doch ziemliches Kontrastprogramm. Während das Debüt astreinen Deathmetal mit englischen Lyrics bot, haben sich die Berliner inzwischen von Anglizismen gelöst und röcheln auf Deutsch. Oft röcheln sich nichtmal mehr, sondern stimmen sehr melodische cleane Vocals an. Kurzum, die polyrhythmischen MESSHUGGAH-Sperenzchen sind uns erhalten geblieben, aber gezockt wird eher im Midtempo Bereich. Textlich befasst sich Sven Berlin diesmal mit Depression, sozialer Ungerechtigkeit, der Arroganz der Snobs und bisweilen treibt er einfach lyrischen Schabernak wie in "Riese" oder "Baroness". "Sretan Put", "Jure Joskan" und "Schwarze Tauben steigen" sind textlich hochinteressant und schlichtweg Poesie, so dass man mit einigen Abstrichen (z.B. die melodischen Refrains) schon sagen kann, dass PLACENTA echt ein gutes, originelles und grooviges Metalcore/Techmetal-Album ausgenommen haben. (7) ThEb

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Dominik Plangger
Hoffnungsstur CD
Sturm und Klang/Alive


Zwar hat Plangger lediglich einen Mundart-Song auf seinem dritten Album, aber die ganze Herangehensweise, seine Ehrlichkeit und sein Anprangern in "Es rührt sich was in mir" stellen in ganz klar in die Tradition der politisch unbequemen Liedermacher. "Lied der Ungeliebten" hat durch die Geige irisches Flair und der Text ist herrlich sarkastisch und lästert über Menschen, die große Autos fahren, rechtskonservative Ansichten haben und sich selbst der Nächste sind. Bissig und doch durchdacht. "Liebeslied im alten Stil" ist dann bestes Fingerpicking in Paul Simon-Manier und gegen Ende kommt noch ein Cello hinzu. Sehr lyrisch, musikalisch gekonnt und voller Hoffnung, aber auch geprägt von Melancholie. "Es ist an der Zeit" ist ein Antikriegssong, der schon etwas an Reinhard Mey erinnert und dem Album noch eine weitere Dimension hinzufügt. Plangger ist wirklich ein Vollblutmusiker, soviel ist klar. Dass Konstantin Wecker "Hoffnungsstur" auf seinem Label Sturm und Klang veröffentlicht, passt genau ins Bild und wer die Chance hat Plangger mal live zu sehen, der sollte sie unbedingt wahrnehmen. Toller Musiker, tolles Album! ThEb (7)

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THE TIPS
Trippin' CD
Long Beach Records


Das Debüt "High Sobriety" war noch auf dem kleinen Label Rotlicht Records erschienen, aber inzwischen sind die Neusser entsprechend ihrer Fähigkeiten bei Long Beach Records Europe gelandet. Vergleiche mit SUBLIME und LONG BEACH DUB ALLSTARS sind unumgänglich und wenn diese immer wieder ohne Einschränkung ausgesprochen werden, muss eine Combo wahrlich Magie haben, oder? Das Trio bringt aber auch viel Eigenes in die Songs ein und "My girlfriend's mother" überzeugt mit dem prägnanten Refrain "My girlfriend's mother is a cop" und dementsprechend viel Humor. Auch Punkparts sind weiterhin mit von der Partie und so wird in "Fences and barricades" gleich drauflos gedroschen. Rein stilistisch hat man eine kleine Winzigkeit weniger Spannweite als noch auf "High Sobriety", aber dafür mehr Zusammenhalt und ein eingängiger Song wie "Homesick" könnte vielleicht sogar ein größeres Publikum erreichen. Eine brilliante Fusion aus Dub, Punk, Ska und Reggae, die auch textlich Politisches mit Persönlichem verbindet und so mehr als Partymusik ist, sich aber auch bestens dazu eignet. Das ausklappbare 6 panel Digiartwork übernahm Opie Ortiz, der auch SUBLIMEs "40 Oz To Freedom" gestaltet hat und es ist schlichtweg genial geworden. Insgesamt ist das zweite Album der Band die beste SUBLIME-Scheibe, die SUBLIME nie gemacht haben. Authentisch, ungekünstelt und vom Gesang über die Tunes bis hin zu den Backups ein Geniestreich. ThEb (9)

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UNIVERSE 217
Never CD
CTS Records


Alle, die ihren Doom mit etwas mehr Pathos mögen, als ihn aktuelle Vertreter des Genres gerade spielen, dürfen aufatmen, denn die griechische Combo UNIVERSE 217 huldigt CANDLEMASS zu Marcolin-Zeiten und gerade bei den Vocals ist Bombast angesagt. Nach zwei Songs dämmerte es mir so langsam, dass da kein Typ singt, sondern eine Dame, die sich eben an Marcolin orientiert. Etwas direkter auf den Punkt ist neben dem "Mark my word" auch das leicht atmosphärische "Harm" mit seinen maurisch-inspirierten Vocals. Die Band bietet auf ihren dritten Album wirklich Kontrastprogramm, ohne dass jetzt genreeigene Tugenden wie langsame, malmende Passagen und melancholische Texte fehlen würden. Ist eben deutlich vom Heavy Metal geprägt und nicht so sehr von neueren Spielarten wie Sludge oder Postcore. Es gibt also sicherlich "modernere" Bands, aber da UNIVERSE 217 authentisch sind und ihr Ding durchziehen und in "She" einfach auf Zeitlupenrock machen und die rauchig-experimentellen Vocals voll ins Zentrum stellen. Dies alles verdient Respekt, denn es wäre ein Einfaches zugänglicher zu werden und auf den Frontfrau-Bonus zu setzten, dem aber verweigert sich die Band, zu Recht. ThEb (7)