WITH LOVE, Januar 2015-Reviews

JANUAR 2015

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ATLAS LOSING GRIP
Currents CD
Cargo Records


Erinnert sich noch jemand an UNITY oder UNIFORM CHOICE? Die Skandinavier von ATLAS LOSING GRIP könnte man jedenfalls auch in Orange County verorten und daher wird die Band mit dem dritten Album auch bei IGNITE- oder NEWBORN-Fans offene Türen einrennen. Gesanglich erinnert mich Rodrigo Alfaro sogar immens an Zoli Teglas von IGNITE, aber es gibt da auch einen Song wie "Nimesis", der vom Tempo her wirklich jenseits dessen ist, was man von den OC-Bands kennt. Das klingt schon extrem nach Hardcore und da das Gros des Albums sehr melodisch rüberkommt, freut man sich über solch toughe Passagen. Textlich ist Gänsehautfeeling angesagt, "Closure", eine Ballade, bezieht sich auf's Abschiednehmen und auch "Kings and fools" ist den Schattenseiten des Lebens und persönlichen Unzulänglichkeiten gewidmet. Mancher würde das Album als "pathetisch" bezeichnen, aber der Fünfer kontrastiert diese Momente mit straighten Songs wie "Cast anchor" und erreicht damit eine Bandbreite, die eben von Twin-Guitar-Leads über Punk-Parts bishin zu eingängigen Refrains reicht. Das Album hat 14 Songs, kommt als stylisches Digipak und ist definitiv ein absolutes Highlight, welches sich nahtlos in die Reihe so brillianter schwedischer HC-Combos wie ANCHOR oder NINE einfügt und trotzdem für sich selbst stehen kann. ThEb (8,5)

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BEYOND THE DUST
Khepri CD
Dooweet Records


Djent meets progressive Metal ist natürlich ein Genre an dem sich die Geschmäcker scheiden werden, aber faktisch bringen die vier Herren aus Paris genügend eigenes mit, um die zehn Songs ihres Debüts auch bei einer Spielzeit von knapp einer Stunde spannend zu gestalten. Abwechslung wird dabei groß geschrieben, endet aber nie in Zerfahrenheit, so kombiniert man in "After the light" Fry-Screams mit Growls und gesanglichen Höchstleistungen, die dem Begriff "Gesang" wahrlich zur Ehre gereichen. "Relief" zeigt ebenfalls, dass sich bei BTD Pop-Appeal und MESHUGGAH-Stakkato und perkussives Riffing keinesfalls ausschließen. Generell würde ich sagen, dass die im Info erwähnten DREAM THEATER eher eine marginale Rolle spielen, selbst wenn das ein oder andere Berklee-College-Of-Music-mäßige Solo vom Stapel gelassen wird, orientiert man sich doch eher an den härten Vertretern des Genres wie PERIPHERY. Das Phenomen der Übersättigung stellt sich jedoch auch hier umgehend ein und eigentlich ist man nach vier Songs bereits "gesättigt", da eben bereits hunderte Breaks, etliche Parts und tausende von Noten gezockt wurden. Wenn man mal von diesem genrebedingten Manko absieht, kann man sich bei BEYOND THE DUST sicherlich reichlich Inspiration holen, denn an Ideen mangelt es den Proggern keinesfalls. ThEb (7)

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CORBEAUX
Hit The Head CD
corbeaurock.com


SIGUR RÓS haben hier hörbar Spuren hinterlassen, selbst wenn die Franzosen CORBEAUX bisweilen auch mal latent in die Noiserock-Richtung gehen, denn das mausgraue Artwork und die beklemmende Atmosphäre des Albums zollt auch den britischen Noise-Vorreitern GODFLESH Tribut. Als Dreingabe gibt es, wie angedeutet, atmosphärische Passagen, die den ganzen Stop-and-Go- sowie Stakkato-Angriff in Balance bringen. Definitiv eher ein unscheinbares Album, welches zwar zu gefallen weiß, aber echt auch nach einer gewissen Grundstimmung verlangt. Die Songs entschleunigen teilweise ganz enorm, "Suk un fil" beispielsweise lebt von seinen Leads- und Flageoletttönen und die Band zügelt sich ziemlich, was das Tempo angeht. Schließlich kommen dann Noise-Eruptionen an die Oberfläche, aber en gros ist auf "Hit The Head" tatsächlich Verträglichkeit und Klangteppich angesagt. Bands wie CORBEAUX sind recht zahlreich geworden und selbst wenn "Where is Dave" angenehm nach den DEFTONES klingt, werden CORBEAUX wohl eher was für Instrumental-Liebhaber sein, denn passieren tut hier nicht allzuviel, lediglich der Rausschmeißer bietet Vocals, ansonsten bleibt es rein instrumental. Trotzdem, gut produziert, gut arrangiert und stylish im Digi verpackt. Gemastert hat Magnus Lindberg der auch schon bei CULT OF LUNA und ABRAHAM hinter den Reglern saß. Die Songs könnten stilitisch meinetwegen aber noch individuellere Trademarks aufweisen sowie experimenteller sein, aber für einen verregneten Nachmittag ist es auf alle Fälle der richtige Soundtrack. ThEb (7)

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LA CHINGA
S/t CD
Bilocation Records


Neues Jahr, stapelweise neue Bands. Bilocation schicken mit LA CHINGA auch gleich ein Alphamännchen ins Rennen. Egal ob man sich nun "The Wheel" anhört, oder "Snake Eyes" man vernimmt eine gelungene Fusion aus THE BLACK CROWES, RIVAL SONS und stimmlich schlägt Sänger Carl Spackler sehr in die Robert Plant-Kerbe, so no objection. Für ein Trio ist auch der Groove bemerkenswert, denn der Retrorock der Band ist immer mitreißend und versandet nie in monotoner Pentatonik, da ist man wesentlich verspielter, hier mal ein Solo, da mal ein Break, Fans von LED ZEPPELIN sollten sich diese kanadische Combo unbedingt mal anhören. "Early graves" hat sogar einen leichten Gunners-Touch und so ist auch für reichlich Abwechslung gesorgt. Insgesamt zwölf Songs, die das Niveau der A-Seite auch beständig halten, eben weil es ein Debüt ist und man sich wohl ziemlich viel Zeit für die Lieder genommen hat. In "Catty" offenbart sich dann der Hauptgrund für den enormen Eindruck, den das Album hinterlässt: LA CHINGA haben ein glückliches Händchen für's Songwriting. In diesem Falle lassen stilistisch EXTREME grüßen. Ein großartiger Song. Die B-Seite beginnt erst mal mit steel-slide und gesanglich erkundet man die tieferen Lagen, was auch ganz gut funktioniert. "Freedom machine" setzt dann auf Cowbell und hat beinahe einen CLUTCH-Groove, herrlich! Fazit? Ein supergeiles Hardrock-Album, dessen Titletrack etwas nach AIRBORNE bzw. AC/DC klingt. Wow! Die Europressung hat übrigens 2 Bonustracks! ThEb (9)

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MELOBAR
Wellenbrecher CD
Timezone/Radar


Eines Vorweg, ich bin kein großer Fan deutscher Texte, aber MELOBAR überzeugen größtenteils ganz gut und müssen nur ab und zu eine Münze ins Phrasendresch-Schweinchen werfen. Ob es Sinn macht den Hörer meist persönlich mit "du" anzusprechen und mit kritischen Fragen zu konfrontieren, weiß ich nicht, vielleicht ist es auch Strategie, aber insgesamt wirkt es etwas besserwisserisch. Zum Glück wechselt man in "Inas Nacht" zur dritten in "Fernweh" und "Schlaflos" zur ersten Person und dies steht den Songs wesentlich besser. Musikalisch hört man Alternative-Pop und die Stimme von Britta Drees ist sicherlich der zentrale Dreh- und Angelpunkt, denn instrumental gibt es vieles, was JIMMY EAT WORLD, PALE oder CRASH TOKIO auch schon vor etlichen Jahren gemacht haben, Emocore, ich hör' dir drapsen. Insgesamt ein ordentliches Album, selbst angesichts der Tatsache, dass ich kein Faible für Deutschrock habe. Der großartige Rausschmeißer "Kleinigkeiten" und der Titeltrack tun aber ihr Übriges, um "Wellenbrecher" zu einem Genrehighlight zu machen. ThEb (8)

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MOON CURSE
S/t LP
Bilocation Records


Manchmal kann man einer Band mit Worten nicht ganz gerecht werden, ist leider auch bei MOON CURSE der Fall, denn wie sollte man einen Mammuttrack wie "Elk song", der nach beinahe neun Minuten sein Ende findet, schon kompaktschreiben? Man muss sich diese trippy Leads, psychedelischen Orgeln und das Geröhre von Sänger Matt einfach anhören und die monumentalen Riffs auf sich wirken lassen. Die kürzeren Tracks machen es einem da schon einfacher, denn "Brontis" skandiert instrumental lauthals BLACK SABBATH und PENTAGRAM, wobei die Vocals eher nach den ganz formidablen BRIMSTONE COVEN kommen. Wer glaubt, dass ich jetzt zu Unrecht das Lob in Kübeln ausschütte, darf mal reinhören und wenn "Seminary woods" nicht der grandioseste Track seit ELECTRIC WIZARDS "Dopethrone" ist, dann weiß ich auch nicht. MOON CURSE haben einfach das richtige Feel, hier wirkt alles gekonnt und nichts bemüht. Zugegeben, die beiden Opener des Albums sind eher unspektakulär, "Medicine Coma" ist sogar ein ziemlicher Stampfer, der die Finesse erstmal etwas missen lässt, dafür aber eben ein schönes Iommi-mäßiges Solo auffährt. Wahrlich kein Vergleich zu den anderen Songs des Fünftrackers. Die Spielzeit beträgt etwa 35 Minuten. Darf nächstes Mal auch gerne etwas mehr sein und die Drums sind mir auch etwas zu funktional, da ist sicherlich auch noch Raum für Entwicklung. All dies sind aber handwerkliche Feinheiten, stilistisch und konzeptionell hat die Band bereits ihre Stimme gefunden und mit dem Debüt ein echt gutes Album abgeliefert. ThEb (8)

Text?

SIREN
The Row CD
Red Cat Records


Stilistisch handelt es sich bei SIREN um eine recht eigenständige Band, die sich im Fahrwasser diverser Punkbands bewegt und damit ganz gut überzeugt. "Mission" klingt mit seinen Offbeat-Rhythmen etwas nach THE CLASH in Verbindung mit sonnigen ASH/WEEZER-Harmonien. In "Lonely dance" klingt man dann eher etwas nach MUSE und auch die Effekte haben einen futuristischen Effekt, während der Gesang schon deutlich an Layne Staley (ALICE IN CHAINS) und andere Grungecombos erinnert. Textlich finde ich das Album eher schwach, aber da die Band eine solche eigenwillige Melodik besitzt, lenkt sie ganz gut von diesem Manko ab. Selbst, wenn der Sound nicht so ganz meinen Geschmack trifft, muss man dem Quartett attestieren, dass es wirklich facettenreich ist. Manche Melodien und die sehr häufig auftauchenden Backups finde ich zwar etwas zu dick aufgetragen, aber einen klassischen Hardrock-Song wie "Roger Sabbath" könnte man sich durchaus öfter anhören, wenn da nur nicht das Synthiesound-Jean-Michel Jarre Intermezzo wäre. Vielleicht muss man auch extrem auf frühe GENESIS oder MARILLION stehen, um sowas abzufeiern. Nicht meins, aber keinesfalls schlecht gemacht. ThEb (6/10)

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TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN
Licht MCD
Let It Burn Records


"Es ist wieder an der Zeit neue Fragen zu stellen", so das Motto des Kollektivs in "Welle" und irgendwie auch insgesamt. Hier findet man überaus berechtigte Kosumkritik, gepaart mit Frust über die Seichtigkeit der Moderne im Allgemeinen und die Verdummung der Menschen durch die Massenmedien in Deutschland im Speziellen. Typisch Hardcore eben, der Fokus liegt auf dem Inhalt und obwohl Gegenentwürfe rar sind, fühlt man sich verstanden, wenn man den Konsumterror satt hat und nach neuen Lebensentwürfen auf der Suche ist. Musikalisch steht man in der Tradition des Old School Hardcore, macht mächtig Druck. Bei "Licht" haben TLUF Dennis von BRIGHTSIDE/STILL SCREAMING als Gastsänger eingeladen und der Song ist mit das Highlight der 6-Song-EP. Vom Innovationsstandpunkt her, wird es schwer hier jetzt total auszuflippen, weil es eben recht simple Songs sind, die zwar reichlich Energie aufweisen, aber eben auch schon vom Ablauf her wohlbekannt sind. Sagen wir es mal so; wer ein Hardcore-Album mit cooler Message aber reichlich Pathos sucht, sollte zugreifen. ThEb (6,5/10)

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UNHOLD
Towering CD
Czar Of Crickets


Klangen die schon immer so intensiv nach NEUROSIS? Ich kann mich erinnern die Band aus Bern zu Zeiten von "Cold Cut", also 2008, mal live gesehen zu haben und damals war ich schlichtweg beeindruckt. Der neue Longplayer hebt das Ganze aber nochmal auf ein anderes Niveau, denn durch den Einstieg von Mariam Wolf an den Keys/Synthies hat man einen volleren, stärker atmosphärischen Sound. Der Opener "Containing the tyrant" wartet dann aber auch mit leicht psychedelischen Passagen auf und so umgeht man gekönnt drohende Monotonie. Zugegeben, die Songs verlieren durch das zusätzliche Instrument eventuell etwas an Brachialität, aber die verqueren Melodien, die sich in einem Song wie "Southern Grave" einschleichen, entschädigen dafür reichlich. Alte Fans dürften baff sein, wenn Miriam in ."The voice within" die Vocals übernimmt, dabei aber in den tieferen Lagen bleibt und sich toll in den Gesamtsound der Band einfügt. Gelungene Fusion aus Noise, Postcore und Doom, denn Samples findet man ebenso wie rein instrumentale Passagen und primitives Geröhre. Das coole klappbare Digi-Artwork rundet die Sache ab und insgesamt ist "Towering" endlich mal wieder ein Album, das in seiner Gesamtheit funktioniert und als Gesamtwerk überzeugt. ThEb (8,5/10)