Was ist denn deine Meinung zu den Unruhen, die in bestimmten Vierteln von Paris stattfanden?
Nun, es ist kompliziert. Ich habe selbst auch keine Antworten auf diese Probleme und frage mich immer, wie ich dazu stehe. Aber ich denke irgendwie hat es jeder in und um Paris es erwartet und auch damit gerechnet, die Effekte werden global sein. Es ist die Wut, der Rassentrennung, die nun seit 40 Jahren auf den Immigranten lastet. Ich denke es richtig die Leute wachzurütteln.
Wo siehst du die sozialen Probleme, die diese Unruhen hervorriefen?
Das ist einfach: In den Gettos. Frankreich benutze die Fremden wie Objekte, weil die Bevölkerung während des Weltkrieges starb. Man brauchte mehr Arbeiter für die Fabriken, also machte man die Grenzen auf. Als man sich benutzt hatte und sie nicht länger brauchte, steckte man sie in die Gettos. Man vergass das sie Fremde waren, aber sie waren vor allem Menschen wie jeder andere auf dieser Welt. Dies ist jedoch nur ein Faktum neben 10000 anderen Problemen. Wir könnten allein mit diesem Thema ein ganzes Interview führen, man bräuchte ein ganzes Buch, um die lage zu erklären, aber ich wäre dazu bereit...
Die Politiker müssen einfach mal lernen, das Menschen keine Objekte sind und man Probleme nicht verstecken kann, so wie sie es oft getan haben.
Man findet mit Feuer keine Antworten. In der Gruppe aus den Gettokids waren Leute, die eine Lösung wollten und andere, die einfach alles zum Spass anzünden wollten. Ich kann das verstehen, man braucht ein Ventil für die ganze Aggression. Es ist wie bei mir, wenn die Drums zertrümmere oder Musik mache, es ist Frustration.
Euer Album kam am 24 Januar auf den Markt und heisst "10 Secondes Before S.u.n.r.i.s.e", erzähl mal was genaueres...
Es sind 14 Leider auf dem Album, es ist ein umfangreiches Album, das erste für uns, aber wir finden es grossartig. Viele Lieder haben eine zweiteilige Struktur, wie "We Are" und "Smokey Mountains" oder "Mama They Bring Me Back Home In A Box" Teil 1 und 2. Es sind 49:59 intensive, teils stille schöne Musik.
Welcher Track sticht am meisten heraus und welche Themen spricht ihr an?
Das ist "Against My Temple", denn im Text handelt es sich um alltägliche Frustration, die wir vorher schon kurz angeschnitten haben. Alle Mitglieder der Band fühlen sich etwas verloren in der Gesellschaft, es gibt viele seltsame Leute, die ein komisches Leben führen, es scheint, als ob alles um uns herum funktioniert, aber wir ganz allein für uns sind.
 Du kannst dir vielleicht die Champs Elisees vorstellen, mit all den Autos und wir sind mitten auf der Strasse und keiner nimmt Notiz von uns. Gesichtslos, unverstanden, aber nunmal hier und wir versuchen einfach diese Welt zu verstehen. Alles muss schnell vor sich gehen, schnell essen, zügig etwas erschaffen, rasch was kaufen. Jeder scheint etwas hinterherzurennen, von dem er gar nicht weiß was es ist. Die Zivilisation ist ziemlich bescheuert. Wir reden aber über mehr als nur das, es geht um Liebe und Freundschaft. Lest euch die Texte durch!
Wie habt ihr euch entwickelt, seit "Olena" veröffentlicht wurde, worauf habt ihr euch beim neuen Album konzentriert?
Erstmal haben wir uns die nötige Zeit genommen, die es braucht neue Songs zu schreiben. Wir versuchten unsere Gefühle verständlicher zu vermitteln. Wir wollten noch mehr persönliche Musik schreiben, die uns interessiert und auch die Hörer.
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Es war uns aber auch wichtig, dass die Lieder live funktionieren und ich denke das hört man dem Album auch an, es ist heavier und variantenreicher. Mal still, mal gewaltig, dann laut oder schnell. Wir probieren alles mal aus, was der Metal zu bieten hat. Insgesamt ist es aber ein stimmiges Album. Als wir ins Sainte Marthe Studio kamen, waren die Lieder aber nicht so, wie sie jetzt auf dem Album zu hören sind. Deshalb halten uns viele unserer Freunde auch für verrückt.
Am Anfang waren neun Lieder, aber nach der ersten Woche, in der die Drumspur aufgenommen wurde, haben wir aufgehört und gesagt: "Okay, lass uns nochmal von vorne beginnen". Wir wollten alles nochmal überarbeiten. Dann wurden aus den neun Songs vierzehn Lieder, die völlig anders waren. Wir haben in 18 Monaten neun Songs geschrieben und uns dann im Studio die besten Elemente genommen und daraus neue Lieder geschaffen. Es war völlig irre, denn nachdem wir die Drum erneut aufgenommen hatten, bleiben und mit Francis Caste nur noch drei Tage, um das gesamte Album aufzunehmen. Wir haben uns im Studio eingeschlossen und haben nochmal bei Null angefangen. Nun ist das Album aber besser, als wir es uns je hätten vorstellen können. Hört es euch an und ihr werdet es nachvollziehen können.

Um nochmal auf "Olena" zu kommen, wofür steht der Name?
Cub arbeitet in einem Krankenhaus und es gab da ein Mädchen, das oft ins Krankenhaus kam, weil sie an Aids erkrankt war. Das Lied erzählt ihre Geschichte. Ihr Name war Olena. Inzwischen ist sie leider verstorben, aber der Name war perfekt für die EP, weil ihre Geschichte zeigt, wie wir die Gesellschaft zu Zeit der Aufnahmen sahen. Beim neuen Album hat sich das etwas gewandelt, die Themen sind ein wenig persönlicher und intimer geworden.
Wie lange habt ihr aufgenommen und welche Charaktere gibt es in der Band?
Die Aufnahmen und das Mixen dauerten einen Monat rund um die Uhr. Gemastert wurde innerhalb von drei Monaten von Alan Douches bei West Side Music in New Jersey. Also begann der gesamte Prozess am 26 April und zog sich bis zum 31 Oktober hin. Das ist wirklich eine Erfahrung, die jeder Musiker einmal haben sollte. Wir sind glücklich mit dem Album und mit allem, was sich daraus entwickelt. Generell sind wir aber auf jeden Fall irre. In jedem Fall auch perfektionistisch, aber auch irgendwo Rocker. Cub ist derjenige, der die Lage immer im Griff hat, ich bin schon der Perfektionist, aber dafür der Jüngste in der Band, daher auch noch sehr verrückt. Feus.t ist sehr ernsthaft bei der Sache, 2frais ist immer gestresst und auf der Suche nach dem Besten und immer unterwegs. K.G ist wieder etwas relaxter, immer locker und gesetzt, diskutiert immer alles aus. Die Band als Einheit ist wie ein Kind, dass man nicht aufhalten kann. Man muss uns ständig ermahnen, wenn gearbeitet wird, damit wir bei der Sache sind. Unser Label und unsere Manager sind schon gestresst, weil wir wieder da sind und sie total aus der Ruhe bringen. Wir sind nicht sonderlich ernst.
Die französische Szene scheint sich sehr auf's Landesinnere zu konzentrieren. Habt ihr schon international getourt?
Ja, das ist richtig, die französische Szene limitiert sich etwas auf Frankreich an sich, aber eigentlich wollen wir alle ausserhalb Frankreichs spielen. Bisher interssierten sich die anderen Länder ausch nicht sonderlich für die französische Szene, aber es findet gerade eine richtige Revolution statt und wir haben jetzt mit GOJIRA, EVERY REASON TO...; ES LA GUERILLA und L'ESPRIT DU CLAN sehr gute Bands zu bieten.
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Wir selbst haben bisher noch nicht im Ausland gespielt, aber mit dem aktuellen Album wollen wir auf der ganzen Welt spielen. Es sind viele gute Daten in Planung und wir würden uns freuen, wenn deutsche Promoter uns da aushelfen könnten. Deutschland ist eines der Länder, wo wir auf jeden Fall spielen möchten, auch in Polen. Ich war vor zwei Jahren mit ES LA GUERILLA dort und es war meine beste Erfahrung bisher. Wir kommen definitiv bei euch vorbei.
Wo genau kommt ihr her und wie sieht die Szene bei euch aus?
Wir kommen aus Paris und leben alle in der Stadt oder in der näheren Umgebung. Das Studio ist in der Stadtmitte und wir arbeiten alle in Paris. Ich und mein Bruder 2Frais haben portugisisch und brazilianische Wurzeln, sind aber in Paris geboren. Es gibt hier ein gute Hardcore- und Metalszene, allerdings trifft es das Wort Szene nicht, da alles unterschiedlich ist und jeder was anderes macht, daher ist es aber schon wieder gut, so wie es ist. Es ist wie in Boston oder New York, wo es hunderte von Bands gibt. Coole Hardcore Acts sind ALTESS, SHOEMAKER, LEVY 9, NOSTRADAMUS0014, TIME TO BURN. Es gibt auch gute Sludge Bands wie ES LA GUERILLA und EVERY REASON TO..., dann gibt es Metal-Gruppen wie "????", ZUUL FX, SLAVERY, GOJIRA, Death Metal-Gruppen à la DECOHERENCE, HECTIC PATTERNS. Grinder wie SUBLIME CADAVERIC DECOMPOSITION, VULGAR PIGEONS.
Was macht ihr, um über die Runden zu kommen?
Feus.T leitet ein Studio in Paris, Cub arbeitet im Krankenhaus, K.G ebenfalls. 2Frais arbeitet seit kurzem für die Modedesignerin Sonia Rykiel und ich bin Roadie und arbeite für französische und internationale Gruppen, aber auch bei Modenschauen wie der "Defilées de Mode" oder für Jean Paul Gautier, Vuitton, Cartier usw, also für Vips, die ich nicht leiden kann. Wir kümmern uns aber alle intensiv um Musik und für uns ist es das Einzige, was zählt.
Ihr seid ja nicht straight edge, gibt es denn manchmal Ärger, wenn ihr mit Edgern spielt?
Wir sind nun wirklich keine Straight Edge Band. Wir rauchen und trinken sehr gerne. K.G hat mit diesen Sachen allerdings nichts am Hut, er bezeichnet sich aber nicht als sxe. Wir verstehen uns mit den anderen Gruppen aber und wenn sich die Jungs so wohlfühlen ist das doch klasse.
 Die Welt braucht diese Art Menschen, ich für meinen Teil habe aber icht die Kraft und die Überzeugung das durchzuziehen. Wir trinken Bier und Whiskey und albern immer mit unseren Freunden rum, beinahe wie Kinder, mal den Getränken abgesehen. Wir spielen mit vielen sxe-Bands und sind auch gut befreundet. Die Frage ist aber nicht, ob man trinkt, sondern ob man für den anderen den gebührenden Respekt hat. Man muss verstehen, wieso eine Person trinkt oder eben nicht. Mir persönlich gefallen die Leute, die immer merken gar nicht. Da gibt es welche, die dich ansprechen und dann meinen: "Hör doch auf zu trinken! Werd' mein Bruder und sei Straight Edge." Dann frage ich immer: "Wieso bin ich nicht dein Bro, wenn ich trinke?". Aber es gibt nie grössere Probleme. Wenn man zur Musik Party macht, spielt der Rest keine Rolle und vor Edgern habe ich grossen Respekt.
Wann können wir euch auf Tour sehen?
Bald! Wir haben viele Shows für Frankreich, die Schweiz und Belgien gebucht. Wir wollen aber auch so schnell wie möglich nach Deutschland.
Geplant ist April bis Juni, dann wollen wir wieder arbeiten, danach weiter in den Süden. Wahrscheinlich für einen Zeitraum für drei Wochen. Dann stehen Spanien und Portugal an. Wenn ihr Interesse an Shows habt, besucht www.inhatred.com.
Thomas Eberhardt
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