WITH LOVE, Dezember 2013-Reviews

DEZEMBER 2013

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BLACK FLAG
What The... CD
SST Records/Cargo


Wow, die Kommentare zum neuen BLACK FLAG-Album online einen shitstorm zu nennen wäre eine Untertreibung, dabei gehen Greg Ginn und Ron Reyes einen Schritt weiter als die meisten Bands der Revivalwelle, sie veröffenlichen neues Material. Jeder, der dieses Album komplett hört und daran fundamentale Kritik übt, kann nicht ganz bei der Sache gewesen sein. Allerdings hat Reyes vor einigen Tagen bereits wieder seinen Austritt verkündet. Go figure. Der ironische Song "Give me your dough" ist jedenfalls ein absolutes Highlight und "What The..." ist trotz seiner recht schnellen und schnörkellosen ersten Hälfte ein grandioses Album, da Ginn wirklich einige charismatische Songs geschrieben hat, die typisch für BLACK FLAG sind. "Blood & Ashes" erinnert am ehesten an die Rollins Ära, während "The chase" THE MC5 huldigt und "I'm sick" mit seinen gegenläufigen Rhythmen den entspanntesten Hörer elektrifizieren wird. Gegen Ende des 22 Songs langen Marathons holt man dann die richtig genialen Songs aus der Kiste, wobei "It's not my time to go-go" natürlich programmatisch ist und "Lies" sowie "Outside" eher den Downtempo-Hits nachempfunden sind. Jeder, der jetzt hier nach einem neuen "Wasted" oder "TV party" sucht, wird mit Sicherheit nicht fündig, aber ... hey Leute, ihr müsst euch nicht zwischen FLAG mit Keith Morris und BLACK FLAG mit, nun, aktuell nur noch Greg Ginn, entscheiden, wer kann denn so dogmatisch sein? Vielleicht beim ersten Hören bei Song 12 einsteigen, damit ihr gleich die richtig guten Songs hört, denn, wie gesagt, die erste Hälfte des Albums ist etwas gleichförmig geraten. Anscheinend wollte Ginn den Leuten einfach eine Menge Songs bieten... nee, also.. ich bin nur baff wie selbstherrlich viele "Fans" Ginn und Reyes fertigmachen. Ja, alle mögen ihre alten Helden, aber wenn man diese zu Fall bringen kann, fühlt man sich selbst anscheinend gleich ein bisschen wertvoller. Aber sagen wir es mit BLACK FLAG selbst: "all you do is talk, talk, talk but you got no teeth" ThEb (8)

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THE BRAIN WASHING MACHINE
Seven Years Later CD
Go Down Records


Vier Italiener spielen den für Go Down Records seit Jahren typischen Stil, nämlich Stoner und dürfen sich somit freuen Labelmates mit VIBRAVOID und KARMA TO BURN zu sein. Wenn man die zwölf aktuellen Tracks von TBWM mal mit anderen Stoner-Combos vergleicht, fallen besonders die echt melodischen Refrains mit reichlich Pop-Appeal auf, in denen man sogar per Songtitel "Danko" huldigt. Also die Südländer haben anscheinend ein Faible für den Kandadier, soviel steht fest. Mir gehen die Refrains oft zu sehr in Richtung Stadionrock, aber individuell und originell ist "Seven Years Later" allemal. Die Produktion klingt druckvoll und die Lieder sind eher song- als rifforientiert, was im Stoner-Segment ja auch nicht immer der Fall ist. Gerade wenn man bedenkt, dass hier nun ein Gitarrero mitspielt, zündet das Album ganz ordentlich. "Dance" bietet eine leichte Grunge-Kante und "Simple song" steuert Richtung Fuzz und deckt damit auch die härte Ecke ab. Wer länger was von einem Album haben und nicht unbedingt beim ersten Hören sämtliche Highlights verballert wissen möchte, sollte hier mal reinhören. ThEb (6,5)

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Morgan Finlay
Fault Lines CD
Morganfinlay.com


Finlay, der in Kanada geboren wurde und irische Wurzeln hat, ist gerade auf Tour und seine Vorgehensweise ist dabei total do it yourself. Das Album wurde mittels Fundraiser aufgenommen und fusioniert tatsächlich nordamerikanische Einflüsse mit marginalen irischen Vibes. Der Titeltrack steht programmatisch hierfür und auf seinem vierten Album bietet Finlay jetzt nichts, was man noch nicht gehört hätte, aber für einen Indieartist sind die Songs allemal beachtlich. In "The hard way" erinnert sein Fingerpicking auch mal angenehm an Elliott Smith, gesanglich allerdings orientiert sich Finlay voll und ganz an Americana und bietet eine recht eindringliche Vorstellung. In "Stand here alone" wird der Naturfreund dann von Pianoklängen begleitet, aber plötzlich endet der Song unvermittelt und wirkt unfertig. Ein etwas düsterer Track wie "Lover CTDHL" in dem Finlay mehr flüstert, als dass er singt, trifft dann sogar bei mir ins Schwarze und das obwohl ich eher die kaputten Underdogs unter den Solokünstlern mag. Deren Essenz erreicht Finlay einige Male auf "Fault Lines", beispielsweise in "How would I know". Jeder, der es nicht ganz so depressiv mag, sondern auch euphorische Momente schätzt, kann sich Morgan Finlay momentan auch einfach mal live ansehen. ThEb (6,5)

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Evan Freyer
F CD
http://evanfreyer.bandcamp.com/album/f


Nach dem Debüt "Anker" und dem Nachfolger "Misstakes included" (sic) ließ sich der Wuppertaler Songwriter, der eigentlich Patrik heißt, nicht lumpen und stellte sich erneut der kniffligen Aufgabe ein ganzes Album voller Lieder mit anspruchsvollen deutschen Texten zu komponieren. Musikalisch gefallen mir die elf Tracks, aber gesanglich ist die Sache tatsächlich noch verbesserungsfähig, etwas Reverb würde es vielleicht schon regeln. Die Texte an sich sind smart, positiv und hörenswert, aber in Kombination mit der Musik ist es manchmal überladen. In "Substanz über Stil" muss man dann sagen, dass die Lyrics auch mal schneller dargeboten werden dürften. Objektiv gibt es keine Mängel, aber mit KETTCAR kann ich auch nichts anfangen, also mein Pech. Einfach mal bei bandcamp Evan Freyer auschecken und selbst eine Meinung bilden, denn er ist echt sympathisch, äußerst engagiert und mit Herzblut bei der Sache. ThEb (6)

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HAPPENING
Birth MCD
Delete Your Favourite Records


Cool, dass sich Anthonys Vocals in "Social mask" etwas nach John Dyer Baizley anhören und "Lacks" mit einem AT THE DRIVE-IN mäßigen Stop and Go-Intro loslegt, bevor dann ein treibender Bass mit Powerchords und verstörenden Leadgitarren ergänzt wird. Zwar kann man den Stil des Trios nur schwer an drei Songs festmachen, aber BARONESS, ATDI und HOT WATER MUSIC, sowie die Vorliebe für tiefergestimme Gitarren, sind deutlich hörbar. Bei "Choices" macht man es dann etwas zu offensichtlich und bedient sich doch recht deutlich bei "Board up the house", was die Tandemvocals angeht, aber es gibt sicherlich kein Grund an einer Combo rumzumäkeln, die sich genannter Einflüsse bedient. Insgesamt spielt die französische Combo sicherlich eher auf nationalem als auf regionalem Niveau. Trotz des etwas uncoolen Namens hat die Band einiges zu bieten, aber die eigene Note vermisse ich noch etwas. ThEb (6,5)

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David Lenci and the Starmakers
S/t CD
Go Down Records/Riff Records


Irgendwie erinnert mich dieses Album teils an MADRUGADA und teils an VIC DU MONTE, also eine Fusion von düsteren Vocals und noisigen Songs und somit eine recht aparte Sache. David Lenci hat schon mit Steve Albini, UZEDA, Rob Ellis, Charlotte Hatherley von ASH und Sean Meadow von JUNE OF 44 gearbeitet, was recht eindrucksvoll ist und er und seine drei "Starmakers" untermauern mit ihrem Album, dass diese illustren Namen hier nicht rein zufällig stehen. Jeder einzelne der zehn Songs glänzt durch Drive, Verschrobenheit und brilliante Vocals, die echt eigenwillig sind und der Band Wiedererkennungswert geben. In "Beating hearts" tobt sich Drummer Fabio Temple ganz gut aus und "A matter of choice" fängt man recht gut eine düstere Blues-Atmosphäre ein und verbindet sie mit opulenter Instrumentierung. Nach einigen recht durchschnittlichen Releases mal wieder ein exzellentes Go-Down-Album, trotz des Covers. ThEb (8)

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STORYTELLER
Frontier Spirit CD
Let It Burn Records


Schmissiger Emocore, der sich tatsächlich eher am Punkrock als an Hardcore-Combos orientiert, aber alles ziemlich gut unter eine Kappe bringt. Gesanglich geht es kontinuierlich melodisch zu und die Vocals klingen dabei etwas nach SAVES THE DAY. Sogar die Riffs in "Tables turned" und "Give and receive" lassen an "Through being cool" denken, also kann man die zehn Songs ohne Bedenken weiterempfehlen. Echt schon länger nicht mehr so ein mitreissendes Album aus dem Bereich gehört, weil viele Bands es entweder total verwässern oder konsequent in die Tough-Guy-Richtung gehen. "Dramedy" überrascht dann mit crew shouts und coolen Tempiwechseln, ohne dabei vom eingängigen Refrain abzulenken. Alles in allem ein echt cooler Release auf dem ein Highlight das nächste jagt. Die Rhythmik ist genial und obwohl die Dessauer konstant hohes Tempo vorlegen, bleibt der Groove immer präsent. ThEb (8)

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THE SWAMPY'S
Last One Before Snuffin' Out
Drunkabilly Records/Cargo


Freakshow gefällig? Dann ist die Neuauflage von Jo Psychos THE SWAMPY'S (sic) eine sichere Sache, denn der Wallone mit seinem selbstgebauten Upright Bass gibt hier echt authentisch den Psychobilly-Derwisch. Neben epischen Basslines, sind die Vocals von Jo echt hörenswert, denn Hank III wird dem Schöpfer von "Come back to the swamp" mit Sicherheit kein Unbekannter sein. "Coffin maker" ist eine Neuaufnahme eines Songs der ersten EP aber wenn man das neue Material hört, dann steht es den alten Klassikern in nichts nach. Hey, das muss man echt gehört haben, wenn in "Coffin maker" dieses unglaublich rasante Solo einsetzt und dann ein Wettkampf zwischen Klampfe und Viersaiter entbrennt. Darüber hinaus findet man immer wieder irritierende Details wie hohe, psychotische Backups, 50ies Chöre und dezente Surfgitarren. Für Musiker ist "Pyramides" das reinste Lehrstück und selbst wenn man die musikalische Virtuosität ausklammert, zündet der Song, weil man instinktiv mitgeht. "Last One Before Snuffin' Out" ist ein wütender Tritt in die Weichteile der Konformität. ThEb (9)

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TALL BOYS
One CD
Drunkabilly Records/Cargo


Selten genug, dass hier Rockabilly eintrudelt, da freut man sich über gleich doppelt, wenn auch noch Gründungsmitglieder der METEORS mitspielen. Nigel Lewis und Mark Robertson waren bis 87 gemeinsam aktiv, gingen dann aber getrennte Wege. Mit Jez Alan verpflichtete man jetzt noch den original Leadgitarristen der TALL BOYS von damals und ergänzte das Lineup mit Jens De Waele von FIFTY FOOT COMBO und DEATH VALLEY SURFERS. Neben einigen Traditionals hört man noch Songs von Link Wray, THE GUN CLUB und was von den ADVERTS. Gesanglich zwar nicht ganz so charismatisch wie SOCIAL DISTORTION oder THE METEORS, aber ganz ordentlich. "River of fire" ist sicherlich eines der Highlights und "Gary Gilmore's Eyes" kann man auch nicht oft genug hören. "Ride this torpedo" hat die Band in ihrem ganz eigenen Stil eingespielt und die Kombination von Traditionals und eigenem Material funktioniert echt gut. ThEb (8)

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THEN COMES SILENCE
II CD
Novoton/Broken Silence


Hätte ich eher bemerkt, dass die Band aus Schweden kommt, der Longplayer wäre relativ zügig in der Stereoanlage gelandet. Sei's drum, "Can't hide" mit seinem SONIC YOUTH- meets JOY DIVISION-Vibe ist jedenfalls schlichtweg großartig und das gesamte Album wird mit Sicherheit länger in Rotation bleiben. Ist auch nicht Welten von DURANGO RIOT oder BRMC entfernt, somit wären jetzt die Superlative aber auch erschöpft. Irgendwo eine echt krude Mischung aus schleppenden Drone-Riffs, melodischen New Wave-Passagen und düsterem Rock n Roll. "She lies in wait" ist eine Verbeugung vor JOY DIVISIONs "She's lost control" und wenn dann noch Anna Eklund von SAD DAY FOR PUPPETS Vocals beisteuert, mag mancher das vielleicht zu kalkuliert lasziv finden, aber in Summe ist der Song echt phänomenal. Allerdings muss man schon eine Ader für New Wave haben, denn viele Effekte und Beats sind elektronisch. Nichtsdestotrotz ein essentieller Release für Fans der genannten Combos und die zehn Songs erklären lückenlos, weshalb THEN COMES SILENCE auch schon für's Roskilde gebucht wurden, obwohl sie damals noch völlig unbekannt waren. Hauptsongwriter Alex Svenson ist einfach ein Genie. ThEb (9)