WITH LOVE, März 2015-Reviews

APRIL 2015

Text?

CARLSON
Ep CD
listentocarlson.com


Ich weiß jetzt nicht, ob Emocore als Schublade genehm ist. Für mich ist es Emocore, wobei sich die Erfurter eher als Alternative Band sehen, Americana-Einflüsse haben und bisweilen auch Offbeat geltend machen, wie beispielsweise in "Dino". Gar nicht so einfach auf den Punkt zu bringen, was der Fünfer da genau macht. Die Gitarren bei "Up" erinnern mich jedenfalls frappierend an JOAN OF ARC oder die Mühlheimer RENO KID, die leider nicht mehr aktiv sind, aber bei Defiance unter Vertarg waren. Ähnlich wie BRAID hat "Down calm" eine Bossanova-Note und selbst wenn CARLSON mit all den genannten Bands jetzt wohl herzlich wenig anfangen können, alles Komplimente erster Klasse und Indiz dafür, dass die Erfurter mit einem äußerst zeitlosen und individuellen Sound aufwarten. Auch gesanglich darf man Sorin Paul Stanciu das ein oder andere Kompliment machen, denn er liefert einen tollen Job ab, in "Clock" hört man sogar ein leichtes Vedder-Timbre. Sechs Songs, die sich subtil Einlass verschaffen und ein gerngesehener Dauergast werden, ehe man sich versieht. Momentan leider nur als CD im Pappschuber erhältlich … aber eine Single werden sie doch noch pressen, die Herren, oder? ThEb (7,5)


Text?

DON FERNANDO
Hunted By Humans CD
Hurricane Music


Post direkt aus Australien? Dann auch noch Stoner mit Doom-Einfluss? Der Tag hätte schlechter läufen können. Insgesam orientiert man sich an kanonischen Combos wie KYUSS, TRUCKFIGHTERS oder den QUEENS, textlich thematisiert man true crime, wobei dem Digi keine Texte beiliegen, aber ich meine dechiffrieren zu können, dass es eher abstrakt bleibt. "Why?" wartet mit Gastsänger Matt Young von KING PARROT auf und selbiger steuert seine kehligen Screams bei, wobei mir die schmissigen whoo-whoos im Background eigentlich am besten gefallen. In "Insane" und "Motherload" outet man sich als rifforientierte Band, die nie in Prog-Gefilden wildern würde, aber diese Bodenständigkeit passt schon ins Bild. Der Charme des Releases ist rasch benannt: hier rollt eine komplett in Eigenregie aufgenommene Stoner-Walze über den geneigten Hörer. Dem Quartett aus Melbourne gelingt es exzellent heavy, fuzzy und schleppend zu sein, man hat aber auch eine diabolische Note, wie "Side of the road" zeigt und trotz des ganzen Gebretters nehmen sich die Jungs aus Down Under aber auch Zeit für ein ausuferndes Instrumental. Für besagtes Stück namens "Flight of the unknown" greift man dann sogar in die Tasten. Elf eigenwillige, herrlich unverkopfte Lieder, die als Digi kommen und vor allem durch die Punk-Affinität eine lohnende Entdeckung sind. ThEb (8)


Text?

MICHAEL MELLNER
"Truly Yours" CD
michaelmellner.com


Das nenne ich mal ein bombastisches Intro, das unnachlässliche Ticken von zahlreichen Uhren mündet in indische Sitarklänge und nimmt den Hörer danach mit auf eine akustische Reise. Mellner selbst bezeichnet den ersten Song "National anthem" als "Ethnic Rock", aber dabei bleibt es nicht lange. "The ripe stuff" ist etwas cleaner, der begnadete Gitarrist verschreibt sich eher dem Funk und erinnert vom Klang her deutlich an Guthrie Gowan. Mellner ist jedenfalls ein Meister seines Instruments, denn ob es nun Turnarounds, Bends, kompositorische Kniffe, Pinch Harmonics oder eine Tom Morello-mäßige Scratching-Imitation auf der Klapfe sind, bei Mellner scheinen solche Geniestreiche zur Tagesordnung zu gehören. "Joshua" ist Mellners "Tears in heaven" und obwohl das gesamte Album instrumental ist, vermisst man natürlich keine Vocals, denn die Texturen, die hier verwoben werden, sind absolut ausreichend. Zehn Songs, die stark auf süßliche Melodien setzen und im Alleingang auf einem Kemper Profiling Amp eingespielt wurden. Klar, dass ein engagierter, kreativer Drummer das Album enorm bereichert hätte, aber ich werde mich hüten Mellner seinen Alleingang zum Vorwurf zu machen, denn "truly yours" ist ein facettenreiches Album geworden. Mein persönlicher Favorit ist der Blues Track "Speedway shuffle", in dem Mellner den Klang von der Beschleunigung eines Wagens auf der Gitarre imitiert. Der Wahnsinn. "Be the hard way" ist dann der Brecher des Albums und der Meister experimentiert darin mit dem phrygischen Modus. It's fun, kids. ThEb (8)

Text?

MIRROR QUEEN
Scaffolds In The Sky CD
Tee Pee Records


Eines vorweg, dieses Album ist brilliant, denn der Zweitling von MIRROR QUEEN fusioniert Stoner, Doom und Psychedelic mit Seventies-Rock ohne dabei geschlossene Einheiten herzustellen. Was das heißen soll? "Scaffolds in the sky" liegt ein lässiges QOTSA-Riffs zugrunde, dann verleiht man dem Ganzen durch ein psychedelisches Wah-Wah eine Retrorock-Einfärbung, bevor Echo und Whammy-Bar den Song in atmosphärische, entschleunigende Gefilde manövrieren. Zur guter Letzt wären dann noch die depressiven Lyrics, die Aussichtlosigkeit thematisieren. Danach glänzt "Quarantined" mit einem PENTAGRAM-Last Rites-Vibe, der hauptsächlich durch die schleppende Gitarre zustandekommt, aber auch der Gesang ist typisch Doom, eben spooky und scary. Der griffigste Track und sicherlich eines der Highlights ist ohne Zweifel "Strangers in our own time", während die Songs am Ende des Albums komplexer sind."Dark ships arrived" ist eine deutliche Verbeugung vor BUDGIEs "Parents", während in "Wings wetted down" PINK FLOYD-Reminiszenzen vorherrschend sind. Selbst aus der Masse an Releases sticht "Scaffolds in the sky" hervor. Konzeptionell und handwerklich wirklich auf Augenhöhe mit ZAUM oder gar WITCHCRAFT, nur eben noch breiter aufgestellt, was die Einflüsse angeht. ThEb (8,5)

Text?

WHEN REASONS COLLAPSE
Dark Passengers CD
Dooweet


Endlich mal wieder eine Deathcore-Combo, die Hardcore, Trash und Death Metal so fusioniert, dass sie weit jenseits des Metalcore landet. Grundsatzdiskussionen kann man angesichts des Genres natürlich nicht vermeiden, aber die Vocals von Christina Alves dürften bei so manchem Shouter reichlich Eindruck machen. Das Tempo ist beachtlich und insgesamt sind die Pariser definitv näher an CARCASS als an SUICIDE SILENCE, was mir persönlich nur recht ist. Zwar ist der Ansatz elf Songs zu bieten äußerst ambitioniert, was bisweilen seine Längen hat, aber in Summe überwiegt sicherlich der A-ha-Effekt, denn auch die restlichen Musiker liefern eine fuliminante Vorstellung ab und spielen sich gegenseitig gut den Ball zu, denn wenn die Drums mal im midtempo agieren, greifen die Klampfer um die Wette. Ergo ist immer jemand derbst am Abledern. ThEb (7,5)