american hardcore

Dokumentationen über ganz ordinäre Rockmusik gibt es viele, aber auch die Punk und Hardcore-Bewegung wurde reichlich dokumentiert. The Decline Of Western Civilization dürfte ein Film sein, der American Hardcore von Steven Blush und Paul Rachmann maßgeblich beeinflusst hat. Das Skipt zum Film basiert auf Blushs gleichnamigem Buch und beleuchtet die amerikanische Hardcore-Szene der Jahre 1980-'86. Der Film dauert knapp 100 Minuten kommt am 14. Dezember in die deutschen Kinos. Genannten Vergleich der Doku The Decline Of Western Civilization hält der Film definitiv stand, ist er doch komplexer und thematisch reicher.

Steven Blush und Paul Rachmann haben in langer Arbeit eine extrem temporeiche Dokumentation gedreht, die etliche Musiker wie Henry Rollins und Gitarrist Greg Ginn (Black Flag), Ian MacKaye sowie Brian Baker (Minor Threat), H.R. (Bad Brains), Harley Flanagan (Cro Mags) Vinnie Stigma (Agnostic Front) und Brett Gurewitz (Bad Religion) selbst zu Wort kommen.
Durch schnelle Schnitte liefern die Filmemacher viele Statements zu einem Themenkomplex oder einer bestimmten Umgebung. Die Liveaufnahmen sind roh und authentisch, die Beschreibung der Veranstaltungsorte gehört ebenso dazu wie das Gebaren der pubertären Jungs, die oftmals gewalttätig und nicht selten gehörig neben der Spur sind.
Ein Statement wie: "die Braut war bewusstlos und ich pisste auf sie, na und?" zeigt, dass Hardcore, damals wie heute, Zufluchtsort vieler Chauvis ist und man hierarchische Strukturen bisweilen fortsetzt, statt sie zu überwinden.
Die Gleichberechtigung der Frau stellt erschreckenderweise immer noch eine Herausforderung für die Szene dar.

Erstaunlich ist auch die Gewalt, die der Film beleuchtet. Klar, man hörte, dass es oft Schlägereien gab, aber diese Aufnahmen und die sehr schlechten Beziehungen zwischen manch einer Szene oder einer Region zeugen von Kleinkriegen. Da prügelt zum Beispiel ein Musikfan während des Konzerts auf Henry Rollins ein und Rollins lässt sich solange provozieren, bis er dann selbst explodiert und den Typen von der Bühne aus gehörige Faustschlage verpasst.

Insgesamt haben die Filmemacher wenig geschönt und daher ist der Film so authentisch und sicherlich viel tiefgründiger als die erst kürzlich erschienene Doku Bastards Of Young, die sich der Neo-Emo-Welle in den Staaten widmet. Eindrucksvoll wird in American Hardcore anhand diverser Landkarten gezeigt wie die Szenen L.A., Orange County, Washington, Boston, Austin und New York verknüpft waren und welche Attitüde sie an den Tag legten.

Interessant ist es vor allem die Musiker einmal ganz im persönlichen Umfeld dargestellt zu sehen. Oft finden die Interviews in ihren Wohnungen statt und diese Nähe ist ja eben gerade sehr bezeichnend für die Hardcore-Szene. Diese Intimität wird vor allem durch das kommentarlose Portrait der Macher gewahrt und so fühlt man sich direkt in die Szenerie versetzt.
Im Film zersetzt die Gewalt nach und nach die gesamte Szene, da extrem viele destruktive Ansätze auf die wenigen konstruktiven Kräfte wie die Bad Brains und Minor Threat treffen. Aber selbst diese Gruppen sind nicht unfehlbar, so polarisieren die Bad Brains durch ihre Hinwendung zum Rastafaritum und Ian MacKayes "Guilty Of Being White" wird von einem Song über Minderheiten zu einem Lied mit rassistischer Motivation umgedeutet. Schließlich läutet dann die Auflösung von Black Flag den jähen Anfang vom Ende ein; zumindest ist sie geradezu symptomatisch für den kurzen Umbruch einer Ära.
Viele alte Haudegen verkünden etwas engstirnig, dass die Szene 1985/86 zerfiel und bieten Blush die Gelegenheit seinen überzeugenden Film zu einem logischen Ende kommen zu lassen. Hier werden sich wohl die Geister scheiden. Es mag richtig sein, dass eine Zäsur stattfand, aber eigentlich verschob sich der Schwerpunkt auf New York und mit der Gründung von Violent Children, einer Band um Ray Cappo und Porcell, die später gemeinsam Youth Of Today ins Leben rufen sollten, entstand bereits die nächste Generation an ganz neuen Punk und Hardcore-Bands. Auch die Reduzierung des Gegenwärtigen gehört in diesen Kontext und wirkt etwas kautzig. Insgesamt ist American Hardcore jedoch ein Film den man gesehen haben muss!

Thomas Eberhardt
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